Die Gemeinde Heilig Kreuz zu Weingarten
im Spiegel der Kirchenbücher des 18. Jahrhunderts
Von Friederike Kuhl


Die Begräbnisse
a) Das Sterberegister
b) Jährliche Begräbniszahlen und saisonale Schwankungen
c) Begräbnisse von Kindern
d) Kindersterblichkeit
e) Beispiele aus Weingartener Familien
f) Häufung von Sterbefällen in den Familien
g) Lebenserwartung
h) Todesursachen
i) Unglücksfälle und Begräbnisse Nichteinheimischer
j) Zusätzliche Angaben zu Verstorbenen
k) Bestattungen in der Pfarrkirche und von Pfarrern


j) Zusätzliche Angaben zu Verstorbenen


Im Sterberegister werden bei manchen Eintragungen zusätzliche Angaben zur Person des Verstorbenen gemacht.

Zum 16. März 1725 heißt es: "Mit allen Sakramenten der Kirche versorgt, wurde der hoch angesehene Johannes Roggendorf begraben, Schöffe in Arloff und, Vicetenens oder Statthalter' in Weingarten". Für die Bezeichnung "Vicetenens oder Statthalter" gibt es in unseren Aufzeichnungen nur dieses eine Beispiel. Häufiger wird die Angabe "colonus" oder "vilicus", bei Frauen die weibliche Form "colona", "vilica" zum Namen eines Verstorbenen gesetzt. Dabei steht dann immer noch eine Ortsangabe: in Weingarten, in Rheder, in Billig oder auch in Broich. Heute läßt sich nicht mehr genau sagen, was diese Bezeichnungen im 18. Jahrhundert bedeuten. "Vilicus" hieß früher der Meier, der Vorsteher und Verwalter eines Fronhofes; "colonus" ist die Bezeichnung für einen (angesiedelten) Landwirt, nach französischen Wörterbüchern des vorigen Jahrhunderts für Erbzinsleute, die günstigste Form abhängiger Bauern. "Vicetenens" ist, mit "Statthalter" wörtlich übersetzt, die Bezeichnung für jemand, der an eines anderen Stelle steht, ihn in seinen Interessen vertritt, wobei offenbleibt, ob ein Adliger, ein Kloster oder ein anderer Grundherr vertreten wird. Nachdem die Klöster die Eigenbewirtschaftung ihrer Fronhöfe aufgegeben und großenteils gegen Geldabgaben in Pachtverhältnisse umgewandelt hatten, erstarrten die alten mittelalterlichen Begriffe, blieben aber an diesen Einrichtungen bestehen. Was nun nach jahrhundertelanger Entwicklung unter den alten Bezeichnungen im 18. Jahrhundert wirklich zu verstehen war, ließe sich heute nur durch den glücklichen Fund eines schriftlichen Dokuments jeweils genau definieren.

Man kann aber davon ausgehen, daß die Gruppe der als "colonus" und "vicetenens" bezeichneten Personen sich in der Stufe der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit von den anderer Dorfbewohnern unterschied, sonst würden diese Bezeichnungen nicht auch bei den Ehefrauen angewendet und sogar auf Töchter übergehen.

Manche der "vilicus" usw. genannten Männer waren auch Schöffen, "scabinus", wie der hier genannte Joh. Roggendorf. Beim Tode von Peter Krup 1782 wird vermerkt: "...scabinus Synodalis et judicialis". Er hatte demnach die beiden verschiedenen Arten des Schöffenamtes inne und war Synodal oder Sendschöffe und Gerichtsschöffe. 23 Meistens steht beim Begräbnisvermerk eines Schöffen der Zusatz: "Schöffe in Arloff".

Es gibt im Sterberegister auch noch ein paar Eintragungen zur Person der Verstorbenen ganz anderer Art:

1763 heißt es: "Am 30. Oktober starb vom plötzlichen Tode überrascht Theodor Fritz mit dem Beinamen "Gepp", "Cognomine ,Gepp"'. Hier wird offensichtlich ein persönlicher, volkstümlicher Beiname des Verstorbenen genannt. Die in der Eifel vielfach üblichen Beinamen beziehen sich als Hof oder Hausname auf die Herkunft des Trägers, oder sie wurden einer Person wegen einer besonderen Eigenschaft oder Gewohnheit als Spitzname erteilt. 24 (Obwohl Th. Fritz Schöffe war, fehlt übrigens hier der sonst in diesen Fällen übliche Hinweis darauf.) Die Beinamen werden in unseren Listen mit dem Hinweis "vulgo", was soviel heißt, wie "gewöhnlich, volkstümlich", zu der amtlichen Eintragung hinzugefügt; so bei Johannes Schneider: "vulgo Baer", bei der Witwe Maria Mürer 1729: "vulgo bertrants mergs", was vielleicht "Betrams Margret" bedeuten könnte. 1726 wird sogar bei der Taufe der Tochter Anna Catharina der Name des Vaters mit "Emanuel Leidts vulgo Turlacks" angegeben. Margarethe Eschweiler hatte Hubert Roberts aus Rupperath geheiratet, und da die Herkunft des Mannes sich im Volksmund offenbar mehr eingeprägt hatte, als sein Name, wurde beim Tode der Frau nicht eingetragen: M. Eschweiler, genannt Roberts, wie üblich, sondern es heißt: "M. Eschweiler, genannt Rupperath ".

Die Überlieferung der Beinamen ist, bis auf einen, allein auf den Pfarrer Tillmann Hoffschlag zurückzuführen, von dem im Zusammenhang mit seiner originellen Federführung schon mehrfach die Rede war.

Er ist es auch, der den Begräbniseintragungen gern noch zwei, drei schmückende Beiworte zur Anerkennung oder Charakterisierung des Verstorbenen beifügt. Recht häufig wird der Verstorbene als "honestus vir - angesehener Mann, honesta mutier eine angesehene Frau" bezeichnet; "honestus viduus" gibt man vielleicht mit "ehrbarer Witwer" wieder und "virtuosa vidua" mit "tugendsame Witwe". Vor allem die Schöffen und die vilici und coloni, die Pächter der herrschaftlichen Höfe, werden durch weitere Attribute hervorgehoben, so z. B. Paul Strunck, der 1741 als "perhonestus et discretus vir, iudicii in Arloff scabinus, - hochangesehener, vornehmer Mann, Schöffe am Gericht in Arloff" bezeichnet wird. Seine Frau Lucia Krautwig, die im seIben Jahr starb, wird "honorabilis mutier" genannt, was etwa "eine hochangesehene Frau" bedeutet. Zwei jüngere Männer, 1741 Gerard Weber und 1743 Caspar Rittersbach werden "ingenuus et probus adotescens" genannt, "ein anständiger (oder:edler), tüchtiger Mensch".

Während das Attribut "honestus - ehrbar, angesehen" bei vielen Verstorbenen hinzugesetzt wird, - in manchem Jahr bei fast allen, wenn auch vielleicht nicht gerade bei solchen, die einmal vor das Sendgericht hatten zitiert werden müssen -, sind die Zusätze „discretus - vornehm, probus - rechtschaffen " und "perhonestus -hochangesehen" seltener; es wurden offenbar Unterschiede gemacht. "Pius -fromm" und "devotus -ergeben, treu" findet man nur vereinzelt. Als Johann Fingerhut 1727 starb, war er erst 35,3 Jahre alt und wurde "probus et pius vir - ein rechtschaffener, frommer Mann" genannt. 1734 starb Agnes Moemesheim, sie wurde als "pia et devota - fromm und ergeben" bezeichnet, und Pfarrer Hoffschlag erteilte die Erlaubnis, daß sie in Kirspenich begraben wurde, wo sie wohl herstammte.

Der Nachfolger von Pfarrer Hoffschlag, Pfarrer Tilmann Wieler, führte die Gewohnheit, zu den Namen der Verstorbenen unterschiedliche Attribute hinzuzusetzen, noch weiter fort, aber weniger differenziert. Vom Jahre 1775 an, seit der Amtsübernahme von Pfarrer Ignaz Cazzuola, fehlen schmückende Zusätze völlig, die Pfarrer lassen es bei der Aufzeichnung der Amtshandlung und des Personenstandes, wie: Witwer, ledig, Frau. So kommt es z. B. dazu, daß Bernard Schorn 1739 bei seiner Eheschließung als junger Mann von Pfarrer Hoffschlag als "perhonestus adotescens -sehr angesehener junger Mann" bezeichnet wurde, die alteingesessene und zahlreich vertretene Familie Schorn genoß in der Gemeinde nämlich großes Ansehen, aber bei seinem Tode heißt es lediglich: "ein Witwer von mehr als 80 Jahren".

Der Vollständigkeit wegen soll hier noch erwähnt werden, daß in einigen herausragenden Fällen bei einer Beerdigung längere Texte im Register stehen; beim Tode des Pilgers Wilhelm Trost und der Hinrichtung der Kindesmörderin Gertrud Orth wurden derartige Texte bereits behandelt.


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Entnommen: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993 - Mai 1993


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