Die Gemeinde Heilig Kreuz zu Weingarten
im Spiegel der Kirchenbücher des 18. Jahrhunderts
Von Friederike Kuhl


Die Lebensdaten der Gemeinde im 18. Jahrhundert - eine Vitalstatistik
a) Anlaß und Ziel der Arbeit
b) Die Kirchenbücher
c) Zeitraum und Methode der Untersuchung
d) Mortalitätsmaxima 1730 und 1734
e) Die Pocken, der Österreichische Erbfolgekrieg, Flecktyphus und Überschwemmung, die Mortalitätsmaxima 1739-1749
f) Der Siebenjährige Krieg und Naturkatastrophen
g) Das letzte Jahrzehnt im 18. Jahrhundert, die Franzosenzeit
h) Zusammenfassung der Ergebnisse


d) Mortalitätsmaxima 1730 und 1734


Das erste Mortalitätsmaximum ist im Jahre 1730 festzustellen. In diesem Jahr starben 21 Personen, verglichen mit dem Zehnjahresdurchschnitt von 9,5, sind das 221 %. Von den 21 Verstorbenen waren 14 Kinder, von denen wiederum bei 8 vermerkt ist, sie seien an den Pocken gestorben. Die Zeit der Epidemie umfaßte vom 18. Juni bis 19. Dezember 1730 sechs Monate. Während dieser Zeit starben nur Kinder. Im Jahre 1730 hat also offenbar eine Pockenepidemie zu dem hohen Anstieg der Sterblichkeitsrate geführt. Die Pocken forderten oft besonders unter den Kindern, die noch nicht immunisiert waren, große Opfer. Das erste Opfer dieser Pockenepidemie 1730 bedeutete einen großen Verlust für den amtierenden Pfarrer Tillman Hoffschlag. Er schrieb ins Register: "Am 18. Juni begrub ich meinen herzlich geliebten Schützling

(clientem meum charissimum), Mattheus Rolef, der noch im Kindesalter war und an den Pocken litt. " Eine derartig wertende persönliche Bemerkung im Kirchenregister ist ungewöhnlich. Auch am 15. März 1736 mußte Tillman Hoffschlag einen "Schützling" begraben, aber dort heißt es nur: "Ich begrub meinen Schützling Jacob Biertz". Es handelte sich vielleicht um eine Art von Adoptivkindern, weil die Namen der Eltern fehlen, die sonst beim Tod von Kindern immer erwähnt werden. Mattheus Rolef war, wie nachgewiesen werden konnte, ein Waisenkind; er war acht Jahre alt, als er starb und war dem damals bereits 72jährigen Pfarrer T. Hoffschlag offenbar ganz besonders ans Herz gewachsen. Eine Eintragung dieser Art trägt dazu bei, uns bewußt zu machen, daß hinter all den Zahlen und statistischen Untersuchungen an den Aufzeichnungen aus längst vergangenen Zeiten immer das Schicksal von Menschen gestanden hat.

Die hohe Zahl von Begräbnissen im Jahre 1734 betrug, gemessen am Zehnjahresdurchschnitt, 166 % , überstieg aber nicht die Zahl der Geburten, die am Mittelwert lag; bei den 15 Beerdigungen handelt es sich in sieben Fällen um die von Kindern. Eine Todesursache wird aber nicht angegeben. Vier der sieben Kinder starben im Januar.


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Entnommen: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993 - Mai 1993


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