Die Gemeinde Heilig Kreuz zu Weingarten
im Spiegel der Kirchenbücher des 18. Jahrhunderts
Von Friederike Kuhl


Die Taufen
a) Methodische Erörterungen zur Familienrekonstitution und die Quellenlage
b) Taufen, Geburten, Familienplanung
c) Patenschaft und Namensgebung
d) Nottaufen
e) Zwillinge
f) Illegitime


b) Taufen, Geburten, Familienplanung


Die Aufzeichnungen der Taufen in der Gemeinde Heilig Kreuz zu Weingarten beginnen in den Kirchenbüchern mit dem Jahr 1679; die Taufe der Catharina Schorn, Tochter des Fridericus Schorn und seiner Ehefrau Elisabetha Zimmermann am 5. Januar 1679 in Gegenwart der Paten Catharina Breidenbenden und Hubertus Schorn ist die früheste Eintragung.

In dem untersuchten Zeitraum von 1701 bis 1800 sind 1139 Taufen eingetragen.

578 Kinder waren weiblich, 561 waren männlich, d. h., auf 100 weibliche kamen 97 männliche Geburten. Das ist ein auffallendes Ergebnis, denn man rechnet normal auf 100 weibliche 106 männliche Geburten.

Vom Jahre 1749 an überwiegen drei Jahrzehnte lang auffallend die Geburten von Mädchen. Von 1749 bis 1780 wurden 225 Mädchen und 173 Jungen geboren. Das entspricht dem Verhältnis von 100 Mädchen zu 77 Jungen während 32 Jahren.

In diesem Zusammenhang sei hingewiesen auf die hohe Zahl von männlichen Zuwanderern gegen Ende des Jahrhunderts und von nach auswärts heiratenden Frauen. Vielleicht zeigt sich hier eine Folge des weiblichen Geburtenüberschusses der genannten Jahrzehnte? (s. Kap. 111, Tab. 2)

Die Graphik 4 zeigt die Verteilung der Taufen auf die Monate im Jahr; es handelt sich um absolute Werte innerhalb der untersuchten Jahrzehnte von 1721 bis 1800. Der Versuch, eine Entwicklung festzustellen, indem die ersten vier Jahrzehnte von 1721 bis 1760 und die weiteren vier Jahrzehnte getrennt berechnet und graphisch dargestellt wurden, ergab keinen Unterschied zwischen den beiden Zeitabschnitten, was den Verlauf betrifft, zeigt aber deutlich, daß die Geburtenzahlen im Laufe des Jahrhunderts abgenommen haben.

Da immer wieder die Frage erörtert wird, ob es eine Geburtenplanung in den Familien gegeben hat, wurde in einer besonderen Untersuchung auch für jedes einzelne Jahrzehnt des Untersuchungszeitraumes eine Kurve gezeichnet, die die Anzahl der monatlichen Taufen über den Zeitraum von nur 10 Jahren zur Grundlage hat. Dabei stellte sich heraus, daß in den einzelnen Jahrzehnten die Maxima und Minima der Geburtenzahlen auf ganz verschiedene Monate verteilt sind, so daß weder System noch Planung dahinter zu erkennen sind. Erst auf die Dauer der Jahrzehnte ergibt sich die typische " Wannenform ", die der der Heiraten ähnelt (s. Graphik 4 und 5 a). d. h., daß im ersten und letzten Drittel des Jahres die Geburtenzahlen höher sind als in der Mitte. So wurde es auch anderswo bei diesen Untersuchungen beobachtet. 5 Das Ansteigen der Geburtenzahlen von Juli bis Oktober nach einem Tief im Frühsommer läßt ebenfalls eher die Vermutung zu, daß es eine Geburtenplanung nicht gegeben hat. Die Sommermonate waren für die ausschließlich in der Landwirtschaft tätige Bevölkerung die arbeitsreichsten des Jahres, was sich sowohl für die hochschwangeren Frauen als auch für die fürsorgebedürftigen Neugeborenen ungünstig auswirken mußte.

Es muß eher davon ausgegangen werden, daß zu bestimmten Jahreszeiten eine Empfängnis mehr bzw. weniger begünstigt wurde.


Grafik 4: Monatliche Schwankungen der Anzahl der Taufen 1721-1800 in absoluten Zahlen


Die Graphik Nr.4 zeigt deshalb mit den um neun Monate verschobenen, aus dem Taufregister übernommenen Geburtenzahlen die Zahl der Konzeptionen in den verschiedenen Monaten. Nicht berücksichtigt werden konnte hier natürlich die gewiß hohe Zahl der durch Fehlgeburten vorzeitig beendeten Schwangerschaften. Von wissenschaftlicher Seite wird dabei mit einem Drittel gerechnet. 6 Der Abstieg der Kurve der Konzeptionen im Dezember, der geschlossenen Jahreszeit, könnte bei der katholischen Bevölkerung vielleicht auf religiöse Gründe zurückzuführen sein. Erstaunlich ist jedoch der Abstieg dieser Kurve im Februar, dem Monat mit der höchsten Zahl von Heiraten und der Anstieg im März, der immer in die Fastenzeit fällt. (s. Graphik 4) Im November ist daher auch nicht, wie anderswo beobachtet, noch einmal ein Maximum an Geburten zu verzeichnen. Das Maximum sexueller Aktivität liegt eindeutig im Frühsommer.


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Entnommen: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993 - Mai 1993


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