Die Gemeinde Heilig Kreuz zu Weingarten
im Spiegel der Kirchenbücher des 18. Jahrhunderts
Von Friederike Kuhl


Die Ehen
a) Trauungen und Trauzeugen
b) Die Wahl des Hochzeitstermins
c) Zuzug und Abwanderung durch Heirat
d) Herkunftsangaben bei Eheschließungen
e) Das Heiratsalter
f) Witwer- und Witwenschaft, Wiederverheiratung
g) Demographische Untersuchungen hinsichtlich Kinderzahl, Geburtenabstände und Alter der Mütter bei der letzten Geburt
h) Zusammenfassung der durch die Untersuchung gewonnenen Ergebnisse über Taufen, Eheschließungen und Familie


g) Demographische Untersuchungen hinsichtlich Kinderzahl, Geburtenabstände und Alter der Mütter bei der letzten Geburt


Die folgenden Untersuchungen wurden mit Hilfe der vollständigen Familienkarten durchgeführt. Es handelt sich hier um insgesamt 42 Familien, die 21,5 % der gesamten Anzahl der Erst-Ehen ausmachen. 13

Die Tabelle 9 gibt Auskunft über die durchschnittliche Kinderzahl pro vollständige Erst-Ehe, dabei scheint die Zahl von 6,8 Kindern, die für die Hälfte der Jahrzehnte als Durchschnittswert errechnet wurde, ein konstanter Anhaltspunkt zu sein, der durch die Untersuchungsergebnisse aus der Liste von 1801 bestätigt wird. Hinzugefügt wurde die Angabe über den prozentualen Anteil der Familien, deren Kinderzahl über dem Durchschnitt von 6,2 bis 6,8 liegt, die also 7 Kinder und mehr haben. Das Verhältnis liegt meistens um 50 %, es ist also nicht so, daß eine Familie allein mit einer besonders hohen Kinderzahl jeweils den Durchschnittswert herbeiführt, was bei der geringen Zahl an Beispielen - sie wurde ebenfalls angegeben, durchaus der Fall sein könnte.

In der untersuchten Zeit von 1721-1800 kam die höchste Zahl von 12 Kindern in der Gemeinde Heilig Kreuz nur einmal vor, bei dem Ehepaar Jacob Strang und Margarethe Eicks in Weingarten. 11 und 10 Kinder gab es bei mehreren Ehepaaren; z. B. hatte Gerhard Zingsheim in Billig mit seiner Frau Anna Catharina Schiffmann von 1751-1774 nacheinander 10 Töchter, als elftes Kind wurde 1776 ein Sohn geboren. Heinrich Baedorf in Weingarten hatte mit Maria Sybilla Biertz von 1778-1795 zehn Kinder, darunter zweimal Zwillinge, von denen schon die Rede war.


Tabelle 9: Durchschnittliche Kinderzahl pro vollständiger Ehe und Alter der Mütter bei der letzten Geburt


Angefügt ist eine Übersicht über das Alter der Mütter bei der letzten Geburt; es lag in sechs von acht untersuchten Jahrzehnten im Durchschnitt über 40 Jahren. Der Anteil der Frauen, die bei der Geburt des letzten Kindes über 40 Jahre alt waren, betrug in diesen Jahrzehnten - bis auf die Zeit von 1761-1770 - immer wenigstens 50% und lag im Durchschnitt bei 68 %, betrug also zwei Drittel. Trotz der hohen Kinderzahl in vielen Familien betrug die Zahl der gleichzeitig zusammen im Haushalt lebenden Familienmitglieder im Durchschnitt doch nur 4-5 Personen, wie die Untersuchungen an der Bevölkerungsliste von 1801 ergaben. 14 Dafür gibt es vor allem drei Gründe: 1) Viele Kinder starben in den ersten Lebensjahren. 2) In den meisten Familien mußten die Kinder früh aus dem Haus ziehen, um anderswo eine Arbeitsstelle zu suchen. 3) Der Altersabstand zwischen den Kindern war immerhin so groß, daß die ältesten Geschwister schon aus dem Haus waren, wenn noch weitere jüngere Geschwister geboren wurden.

Über die Abstände zwischen den Geburten gibt die Tabelle 11 Auskunft, gemessen in Monaten. Für jede einzelne rekonstituierte Familie werden sämtliche Geburtenabstände in Monaten ausgezählt, das Mittel wird errechnet und die Familien in vier Gruppen eingeteilt. Die Tabelle 10 gibt Auskunft über diese vier Gruppen, die Anzahl von Familien, die ihr zuzurechnen ist und den prozentualen Anteil, den jede Gruppe an allen untersuchten Familien hat.


Tabelle 10: Geburtenabstände in Monaten; Häufigkeit der Durchschnittswerte 1721-1800 Ø 31,5 Monate


Familien mit kurzen Geburtenabständen sind demnach mit 2,4% sehr selten, es überwiegen mit 56% die Familien mit langen Geburtenintervallen; und so wurde auch der langjährige Durchschnitt errechnet: 31,5 Monate, d. h. mehr als 2 1/2 Jahre. Die Untersuchung ergibt somit ganz klar, daß die lange verbreitete Vorstellung, in der vorindustriellen Zeit sei in den Familien jedes Jahr ein Kind zur Welt gekommen, als überholt betrachtet werden muß. 15

Als Ergebnis sei noch hinzugefügt, daß die Abstände vom ersten zum zweiten Kind häufig kurz sind, ebenso, wenn ein Kind bald nach der Geburt stirbt, die Mutter also nicht stillt, während in kinderreichen Familien vor der Geburt der letzten Kinder nicht selten Abstände von drei, vier und mehr Jahren zu beobachten sind.

Der Abstand zwischen der Geburt des ersten Kindes und dem Heiratstermin beträgt im Durchschnitt 14,2 Monate. Rettinger stellte für dieses sog. protogenetische Intervall in den bei Mainz liegenden Gemeinden 11,18 Monate als Durchschnittswert fest. 16 Von den Erstgeburten kamen 17,5 %, das ist jedes fünfte bis sechste Kind, weniger als neun Monate nach der Eheschließung zur Welt, war also vorehelich gezeugt.


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Entnommen: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993 - Mai 1993


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