Die Gemeinde Heilig Kreuz zu Weingarten
im Spiegel der Kirchenbücher des 18. Jahrhunderts
Von Friederike Kuhl


Die Ehen
a) Trauungen und Trauzeugen
b) Die Wahl des Hochzeitstermins
c) Zuzug und Abwanderung durch Heirat
d) Herkunftsangaben bei Eheschließungen
e) Das Heiratsalter
f) Witwer- und Witwenschaft, Wiederverheiratung
g) Demographische Untersuchungen hinsichtlich Kinderzahl, Geburtenabstände und Alter der Mütter bei der letzten Geburt
h) Zusammenfassung der durch die Untersuchung gewonnenen Ergebnisse über Taufen, Eheschließungen und Familie


f) Witwer- und Witwenschaft, Wiederverheiratung


Tabelle 6: Anteil der Wiederverheiratungen


Im folgenden Abschnitt wird der Personenkreis derer untersucht, die eine zweite, dritte, manchmal sogar eine vierte Ehe schlossen. Weil heute die meisten Wiederverheiratungen nach einer Scheidung erfolgen, sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich bei den Untersuchungen hier nur um verwitwete Männer und Frauen handelt.

Um den Fragenkreis von Wiederverheiratungen und Dauer von Witwer bzw. Witwenschaft untersuchen zu können, der damals einen nicht unbeträchtlichen Anteil an der Bevölkerungsstruktur ausmachte, wurde auch für jede Frau eine Familienkarte angelegt, da auf den üblichen Familienkarten nur die Ehen des Mannes verfolgt und sie ja nur an einer Stelle des Alphabets eingeordnet werden können.

Wie die Tabelle 6 zeigt, betrug der Anteil der Eheschließungen, bei denen wenigstens ein Partner nicht zum ersten Mal heiratete, im Verlauf der untersuchten acht Jahrzehnte im Durchschnitt genau ein Drittel, ist aber in der ersten Hälfte des Untersuchungszeitraumes mit 24% bis 48% größer als in der zweiten mit 18% bis 35% (s. Spalte C). Bei den daran beteiligten Personen ist der Anteil der Männer mit bis zu 73 % viel größer als der der Frauen; insgesamt haben beinahe doppelt so viele Männer sich wieder verheiratet wie Frauen: (Spalte E) 63,3% : 36,6% .(Daß die Summe der beteiligten Männer und Frauen in Spalte D größer ist, als die angegebene Zahl der Wiederverheiratungen [Spalte C], liegt daran, daß manchmal beide beteiligten Partner sich zum zweiten oder dritten Mal verheirateten.) Es war für einen Mann offenbar einfacher, sich wieder zu verheiraten, als für eine Frau.

Das wird bestätigt durch die Untersuchungen, die Tabelle 7 zeigt hinsichtlich der Dauer der Witwer und Witwenschaft. Im Heiratsregister wird immer angegeben, ob Ledige heiraten oder ein Witwer bzw. eine Witwe. Stammen die verwitweten Personen von außerhalb, läßt sich die Dauer der Witwer bzw. Witwenschaft nicht feststellen, daher rühren die Lücken im unteren Teil der Tabelle. Die Anzahl der erfaßten Fälle wurde wieder angegeben.


Tabelle 7: Dauer der Witwenschaft in Monaten


Die Zeit bis zur Wiederverheiratung ist bei Männern im Durchschnitt kürzer als bei Frauen, nicht selten betrug sie nur knapp einen Monat; es gab kein Trauerjahr; in Haus, Hof und Familie war die Frau unentbehrlich, und genügend heiratswillige Frauen gab es immer. Die verwitweten Frauen waren ebenso dringend auf die Arbeitskraft eines Mannes angewiesen, aber es dauerte durchschnittlich länger, bis sie sich wieder verheirateten. Oft blieben die Frauen allein, denn die Zahl der wieder heiratenden Witwen ist kleiner als die der Witwer, obwohl es mehr Witwen gab als Witwer. (s. dazu Kap. V c) die Tab. 3 zur Bevölkerungsliste von 1801). Denn wenn Ehen durch den Tod eines Partners vorzeitig endeten, war in der Gemeinde Heilig Kreuz, bis auf das Jahrzehnt von 1721 bis 1730, häufiger der Tod des Mannes als der der Frau die Ursache; das zeigt die Tabelle 8, auf der bei den vorzeitig beendeten Erst Ehen die Zahl der Männer, die vorzeitig starben, mit der der Frauen verglichen werden kann. Vorzeitig besagt hier: vor dem 50. Lebensjahr der Frau. Insgesamt endete jede vierte gegenseitige Erst-Ehe (26,7 %) vorzeitig durch den Tod eines Partners. Dabei waren es im 18. Jhdt. 60% Männer, die vorzeitig starben. A. Imhofs These von der Übersterblichkeit verheirateter Frauen im gebärfähigen Alter kann mit diesen Untersuchungen an der Gemeinde Heilig Kreuz im 18. Jhdt. nicht bestätigt werden. 12 Das geringe uns zur Verfügung stehende Beobachtungsfeld könnte manche Abweichung erklären, aber dagegen muß darauf hingewiesen werden, daß diese Abweichung sich kontinuierlich fast über den ganzen Beobachtungszeitraum erstreckt. Andere Beobachtungen stimmen mit den von Imhof dargestellten überein, daß nämlich "rund drei Viertel sämtlicher Eheleute aus gegenseitigen Erst-Ehen länger als bis zum 50. Altersjahr am Leben blieben ...und daß mindestens die Hälfte oder zwei Drittel von ihnen sogar 60 und mehr Jahre alt wurden -." (s. Tab. 8)


Tabelle 8: Vorzeitig beendete Erst Ehen und Anteil der dabei vorzeitig verstorbenen Männer und Frauen bei den im angegebenen Zeitraum geschlossenen Ehen


Die vorzeitige Beendigung einer Ehe durch den Tod war damals zwar eine häufigere Erfahrung im Alltagsleben der Menschen als heute, aber zwei Worte des Pfarrers Tillmann Hoffschlag im Sterberegister machen wieder einmal deutlich, daß man trotz dieser Erfahrung der Tatsache des vorzeitigen Todes doch keineswegs gleichgültig begegnete.

Beim Begräbnis von Frauen, die in den Registern der Kirchenbücher immer weiter mit ihrem Mädchennamen geführt werden, heißt es nach der Datumsangabe für gewöhnlich: "... es starb und wurde begraben, versehen mit den heiligen Sakramenten der Kirche, (z. B.) Gertrud Keßel, genannt Strang", (das ist der Familienname des Mannes). Oder es heißt: "... es starb - usw. - die ehrenwerte Gertrud Eschweiler, die Ehefrau des Johannes Eicks". Bei Begräbnissen von Männern dagegen wird nur der Name des Verstorbenen angegeben, nicht auch der der Frau, weil es die Namensprobleme wie bei Frauen ja nicht gibt.

Zum Datum des 9. Januar 1734 aber heißt es: "Am 9. Januar wurde begraben, versehen mit allen Sakramenten, Eberhard Strunck, der dritte Ehemann der Gertrud Metternich." Das Schicksal der Gertrud Metternich muß wohl das Mitgefühl der Gemeinde in besonderem Maße bewegt haben; innerhalb von nur 12 Jahren verlor sie drei Männer, wurde sie dreimal Witwe. Pfarrer T. Hoffschlag brachte mit nur zwei Worten, "maritus tertius" wie es lateinisch heißt "der dritte Ehemann", und mit der sonst nicht üblichen Namensnennung der Frau des Verstorbenen die Anteilnahme am Geschick seines Pfarrkindes zum Ausdruck. Gertrud Metternich heiratete noch ein viertes Mal und hatte, als sie starb, aus vier verschiedenen Ehen neun Kinder geboren, von denen aber bei ihrem Tode höchstens noch fünf lebten. Sie war einmal fünfeinhalb Monate Witwe, dann 21 und vor der vierten Ehe 28 Monate Witwe. Ihr vierter Mann überlebte sie schließlich. Wie alt Gertrud Metternich bei ihrem Tode im Jahre 1742 war, ist nicht feststellbar. Legt man ein durchschnittliches Heiratsalter von 25 Jahren zugrunde -in dem Jahrzehnt von 1721-1730 wurde allerdings ein durchschnittliches Heiratsalter von 32,5 Jahren ermittelt -so wäre sie 1736 bei der Geburt des neunten Kindes 46 Jahre alt gewesen und bei ihrem Tode 52. Wegen der Geburt des letzten Kindes ist ein höheres Heiratsalter als 25 Jahre unwahrscheinlich.


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Entnommen: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993 - Mai 1993


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