Peter H. Irrgang

Pfarrkirche Heilig Kreuz zu Kreuzweingarten

Kirchenführer und Meditation











Thron der Gnade - gehen wir hin











Als 1988 die Stützmauer der Kirche von Altweihbischof Frotz eingeweiht wurde am Gedenktag Mariens, unserer Lieben Frau in Jerusalem (21. November), konnten wir zu diesem Anlaß eine Festschrift herausgeben. In ihr sind alle interessanten Fakten zusammengetragen. Es gibt zum Glück noch einige Exemplare dieses Heftes. Neue Aspekte haben sich inzwischen nicht ergeben. In der Mauer ist eine kleine Nische angebracht, in der eine kleine Figur der das Jesuskind stillenden Gottesmutter einbetoniert ist. Es ist eine sehr urtümliche Marienfigur. Sie gehört zum Typ der thronenden Madonnen. Im Volksmund sagen wir hier einfach "Mauermadonna". Eine Meditation zur "Mauermadonna" ist damals leider nicht mehr zum Tragen gekommen. Sie wurde aber in der Kirche ausgelegt. Sie paßt in den Rahmen dieses Heftes. Täglich hängen an der Wand vor der kleinen Marienfigur Blumen, immer brennt ein Licht, und der Strahler vom Haus Mader erleuchtet immer, wenn es dunkel wird, die Stelle in der Mauer. Deshalb soll uns diese Betrachtung mit der Mauermadonna wieder vertrauter machen.

Adeamus ergo cum fiducia ad thronum gratiae,
ut misericordiam consequamur et gratiam inveniamus
in auxilium opportunum.

Laßt uns voll Zuversicht hingehen zum Thron der Gnade, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit (Hebr. 4,16).

Wenn wir vom Thron sprechen, verbinden wir den Begriff mit anderen dazu passenden: König, Kaiser, Herrscher und Herrschaft. Die Ausdrucksweise "vor Gottes Thron treten" meint denn auch, vor Gottes Gericht treten, das auf jeden von uns wartet nach dem Tod.

Nichts Falsches liegt in dieser gedanklichen Verbindung: Christus ist der Pantokrator, der Allherrscher. Sein Thron ist Symbol für Autorität, Macht und Gericht, für die Absolutheit Gottes.

Es heißt aber dieser Thron "Thron der Gnade"... Wer kann vor Gott gut dastehen, wollte Gott auf unsere Taten schauen. Der Ps. 130 sagt es deutlich: "Würdest du, Herr, auf unsere Sünden achten, Herr, wer könnte bestehen'?"

Ist die Gnade nicht das Entscheidende des ganzen Neuen Bundes? Die Liebe Gottes des Vaters ist so groß, daß ER seinen Eingeborenen Sohn sendet, um uns zu erlösen. Wer oder was thront denn eigentlich über Himmel und Erde? Allmacht oder Gnade, oder beides; oder ist beides das Gleiche?

Der Hebräerbrief läßt uns etwas erahnen von diesem gewaltigen Neuen, das durch Christus - wahrer Gott und wahrer Mensch, ewiger Hoherpriester, Erlöser - in die Welt gekommen ist. Christus: einziger Weg zum Ewigen Leben. Er ist die Quelle der Gnaden, der Versöhner, der Mittler: "Thron der Gnade", wie der Hebräerbrief sagt.

"Laßt uns zum Thron der Gnade gehen!" Diese Aufforderung wird noch inniger durch den Zusatz: "voll Zuversicht" . Voll Zuversicht zum Thron der Gnaden gehen, heißt unter anderem auch, den Grund dieser Zuversicht nicht mehr in Zweifel ziehen. Gott erbarmt sich! Das ist Sein Proprium, seine ureigenste Eigentümlichkeit: Erbarmen.

Wir Modernen brauchen kein Erbarmen, so denken wir manchmal (vielleicht nicht immer bewußt). Oft aber lassen wir doch solche oder ähnliche Bemerkungen fallen: "Ich habe ja nichts Böses getan." Auch (etwas intellektueller): "Die Fehler liegen in den Strukturen, nicht in mir oder in uns Personen." Vielen Menschen fällt ein klares Bekenntnis über nenn- und qualifizierbare und auch quantifizierbare Sünden gar nicht erst ein. Folglich suchen sie auch kein Erbarmen Gottes.

Wir sind das Erbarmen Gottes los-geworden. Entsprechend erbarmungs-los ist auch unsere moderne Welt. Wir haben die Quelle der göttlichen Barmherzigkeit zugeschüttet.

Wenn ich aber um meine konkreten Sünden weiß, dann verstehe ich auch wieder das Gericht, das riesige Geschenk der barmherzigen Liebe Gottes. Wenn ich keine Blindheit bezüglich der eigenen Schwachheit habe, dann bin ich frei für die erlösende Hoffnung, die Gott uns geschenkt hat in der Taufe und die vermehrt und aktualisiert wird durch das Vertrauen, das ich in die Barmherzigkeit Gottes lege. Ist nicht auch der vergessene Beichtstuhl ein wunderbares Zeichen und gleichzeitig eine wunderbare Realität: Thron der Gnade? Dort finden wir Erbarmen und Gnade und Hilfe. Wenn ich aber um meine konkreten Sünden weiß, dann verstehe ich auch wieder das Stoßgebet: "Mein Jesus, Barmherzigkeit'".

Die Hölle ist voller "verschlossener Mäuler", sagte einmal jemand, "die nicht geredet haben zur rechten Zeit". Ihr Herz war verschlossen, sie wollten das Erbarmen Gottes nicht: ihr Gericht ist erbarmungs-los.

Gehen wir aber zum Thron der Gnade, dann geschieht etwas Unvorhergesehenes: Gott steigt gewissermaßen vom Thron herab dem um Erbarmen Bittenden entgegen. Wenn Er nur sieht, daß wir uns Ihm nähern, wenn wir Ihn nur "erahnen" lassen, daß wir bereuen, verwirklicht Er das, was Er uns im Gleichnis vom verlorenen Sohn und dem barmherzigen Vater erklärt hat. Gott läuft dem Sünder entgegen, wenn dieser sich nur aufmacht - zur rechten Zeit...

Wenn man alles, was wir über die Mutter Gottes wissen, recht bedenkt, dann ist man gar nicht überrascht, daß schon unsere Kirchenväter den hier zitierten Satz aus dein Hebräerbrief auch auf Maria angewandt haben. Schließlich ist sie ja diejenige, die uns den Retter gebracht hat. Mit der beginnenden Adventszeit dürfen wir sie wieder näher betrachten, wie sie den Sohn Gottes in sich trägt und so zum Thron der göttlichen Barmherzigkeit geworden ist.

Später ruht ihr vom Kreuz herabgenommener Sohn auf ihrem Schoß, zum Thron des vollbrachten Erlösungswerkes geworden:

Sitz der Weisheit, Thron der Gnade, bitte für uns!











Mit Recht leitet die Kirche aus der Gottesmutterschaft Mariens auch alle Einzelheiten ab, die in diesem Oberbegriff bereits enthalten sind. Sie hat den Erlöser gebracht - insofern ist sie Mittlerin. Er hat uns durch Seine Erlösungstat zu Seinen Brüdern gemacht - insofern ist sie unsere Mutter. Er hat sie nicht geschont und sie einbezogen in Sein Erlösungswerk - insofern ist sie Mitwirkende an der Erlösung: "Miterlösende".

"Betet für mich, Brüder und Schwestern-" so bittet der Priester im Confiteor, "darum bitte ich euch, Brüder und Schwestern, für mich zu beten bei Gott unserem Herrn", so beten es alle Gläubigen in der hl. Messe. Unsere Bitten füreinander sind gefordert. Wie oft höre ich "Herr Pastor, beten Sie für mich bzw. für dieses oder jenes Anliegen!"

Wer bin ich schon? Wer sind wir schon, obwohl doch unsere Gebete füreinander vom Herrn selber verlangt werden. Mindestens beten können wir für einander... Wer sind wir schon?











Ja, würde ich vor Gott etwas bedeuten - aber so? Trotzdem, es gilt: Betet füreinander! Tragt einander des anderen Anliegen vor Gott! Und die Heiligen? Und Maria, die Mutter der fleischgewordenen Barmherzigkeit Gottes?
Sie gelten wohl etwas vor Gott!
Also:

"Gegrüßet seist du, (thronende) Königin,
Mutter der Barmherzigkeit!"
"Zu dir rufen wir, verbannte Kinder Evas."
"Nach diesem Elend zeige uns
die gebenedeite Frucht deines Leibes: Jesus."

Der Thron der Gnade ist genausogut anwendbar auf Maria. So wie Jesus an ihrer Brust genährt wird, so wie Er in ihren Armen geborgen ist, so darf sich jedes ihrer Kinder - Jesu Brüder sind wir ja - bei ihr bergen.

Betrachte das Bild der stillenden Gottesmutter, und es wird dir leichter fallen, das Hebräerwort auf sie anzuwenden und auf dich.

"Laßt uns also voll Vertrauen
zum Thron der Gnade gehen,
um Barmherzigkeit zu erlangen und Gnade zu linden
zur rechten Zeit"
(Hebr. 4, 16).











... Der Hochzeitsweg











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