Prof. Hürten, Münstereifel

Weinbau in der Eifel vor 1000 Jahren


Wer zum ersten Male mit dem Zuge von Euskirchen nach Münstereifel fährt und an der zweiten Haltestelle des Schaffners Ruf „Weingarten“ vernimmt, hält unwillkürlich Umschau nach den Weinbergen, die der Name Weingarten an den Abhängen des Gebirges vermuten läßt. Doch vergeblich ist da Bemühen, an den schön bewaldeten Berghängen des oberen Erfttales Weingärten zu suchen; die gibt es nur in den viel tiefer liegenden Tälern der Ahr und Mosel und auch da nur in bevorzugten Lagen. Gleichwohl hat der Name Weingarten seine Berechtigung; denn tatsächlich haben die Bewohner dieses Ortes einmal weinbau getrieben. Wir müssen allerdings in der Geschichte der Eifel weit zurückgehen, nicht weniger als 1000 Jahre, um die Beweise für diese Tatsache zu finden. Sie sind enthalten in dem Güterverzeichnis der Abtei Prüm aus dem Jahre 893. Das inhaltreiche Verzeichnis ist von dem Exabt Cesarius im Jahre 1222 erneuert und mit erklärenden Zusätzen versehen worden. Wir finden es abgedruckt in dem Urkundenbuch zur Geschichte der mittelrheinischen Territorien von Beyer I. Bd. S. 142 (Koblenz, Hölscher, 1860). Das in mittelalterlichem Latein abgefaßte Buch ist in mehr als einer Hinsicht lehrreich für die Vergangenheit unseres Berglandes, doch soll es uns hauptsächlich über den Weinbau vor 1000 Jahren Aufschluß geben.

Das Dorf Weingarten, von Cesarius „wingarden“ genannt, liegt am Fuße des schönen Hardtwaldes, dort wo sich die Erft gewaltsam einen Durchgang durch den die Hochfläche von Euskirchen abschließenden Höhenzug gebildet hat. An der Westseite dieses Eingangstores zeiht in der hochgelegenen Pfaffenhardt der Römerkanal dahin, auf dem gegenüberliegenden Burgberge findet sich ein weitläufiger, stellenweise doppelter Ringwall, und in dem Dorfe selbst wurde seinerzeit ein schöner römischer Mosaikboden inmitten einer umfangreichen römischen Villa aufgedeckt, alle Beweise für eine uralte Besiedelung dieser Gegend. Die Hänge sind mit Niederwald bestanden und machen den Eindruck üppigen Wachstums. Hier lagen dereinst die Weingärten, nach denen das Dorf benannt ist. Im Jahre 893 gab es nämlich nach dem erwähnten Güterverzeichnis in Weingarten zehn Hoflehen (mansus) und einen Weinberg für neun Karren, Weisen für sechs Karren, einen Wald für 20 Scheine und zwei Mühlen. Der Weinberg, der neun Karren Wein lieferte, scheint uns groß zu sein im Verhältnis zu den Wiesen, die sechs Karren Heu brachten, und zu dem Walde, der 20 Schweine mästete. Eine Karre Wein wird an anderer Stelle einem Fuder gleichgestellt, das „vronevuder“ genannt wird. Hier kommt es jedoch nicht sowohl auf die Größe des Weinberges, als vielmehr auf die Tatsache an, daß vor 1000 Jahren im Dorfe Weingarten wirklich Wein gewachsen ist.

Ein größerer Weinberg war vorhanden in dem nicht weit davon entfernten Dorfe Iversheim, im Verzeichnis ivernesheym und hivernesheym genannt. Hier war ein Herrengut mit einem Weinertrag für 30 Karren. Der zu dem Gut gehörige Frohnhof liegt noch heute mitten im Dorf und wird auch jetzt noch „Prümerhof“ genannt. In Iversheim gabs außerdem 27 Hoflehen. Jeder Dienstpflichtige hatte jährlich 100 Pfähle für den Weinberg zu liefern, so daß alle Jahre 2700 Pfähle für die Ergänzung und Erneuerung der Weinpfähle zur Verfügung standen. Neben vielen anderen Verpflichtungen hatten die Lehnsleute auch den Weinberg zu bearbeiten, und zwar jährlich 24 Ruten, die Rute zu 15 Fuß. Auch mußte jeder zur Weinernte Handdienste leisten und jährlich eine Anfuhr nach Prüm besorgen „sei es von Getreide, sei es von Wein, und eine andere von der Ahr.“ Alle diese Leistungen sind unerträgliche Beweise für das Vorhandensein von Weinbergen nahe bei Münstereifel in uralter Zeit.


Blick in die ehemaligen Weingärten Kreuzweingartens vom Nordwestende her gesehen. Am unteren Ende fließt an der Rückseite der Ställe und Scheunen der Mersbach. Woengede - Digitalfoto vom 18.4.2002 - 14.10 Uhr


Doch auch an anderen Stellen des Kreises Rheinbach ist zu jener Zeit Wein gewachsen, zunächst in Rheinbach selbst. In „rembahe“ oder „renbahe“ (so im Verzeichnis!) waren 48 Hoflehen, von denen 18 das Heu, das Getreide und en Weinertrag sammelten. Dasselbe wird erwähnt von fünf Lehen in Münchhausen (munihehausen) bei Meckenheim (mekeinheym), ebenso von 24 Lehen in Hospelt (honespolt), acht in Effelsberg (effelsbure), 31 in Vischel (vihsselle), 23 in Lind (linde), sowie noch von acht in Enzen (encene, Kr. Euskirchen). Bei anderen in der Nähe von Münstereifel liegenden Ortschaften, die der Abtei Prüm dienstpflichtig waren, wir zwar in dem Güterverzeichnis von Weinbau nichts gesagt, doch ist das noch kein Beweis dafür, daß kein Wein dort gewachsen sei. Vielmehr lassen die in den Gemarkungen dieser Orte noch heutigen Tages vorkommenden Flurnamen „Wingert“ oder „in den Wingertstöcken“ auf den früheren Weinbau schließen. Solche Dörfer sind Arloff (arnafa), Kirspenich (erispinihc), Eicherscheid (eskinneskeit), Schönau /sconouhe) u.a. In Satzfey gibt's noch heute den Namen „Om Wönget“ und die Wirtschaft Hilger hieß noch vor 50 Jahren „Et Wenges“. Andere Lehen hatten nach dem Verzeichnis die Verpflichtung, Getreide und Wein anzufahren. In einer Zusammenstellung der Anfuhren jener Höfe, die um Münstereifel und in der Nähe der Ahr lagen, heißt es: „Sie fahren nach Prüm an Wein oder an Getreide 250 Karren, nach Neumünster, das ist Münstereifel, ebenfalls 250 Karren.“ Zu diesen Höfen gehörte zunächst ein Frohnhof in harlesheym = Harzheim mit Ländereien in holzheym und veye, dann noch andere in wiere = Weier, in bessyhc [inpascuis = in den Wiesen oder Weiden] = Pesch, und in kelichesdorpht = Sielsdorf. Die angeführten Tatsachen dürften genügen, um zu zeigen, daß in der Eifel vor 1000 Jahren tatsächlich Weinbau betrieben wurde und daselbst sogar eine große Menge Wein geerntet wurde. Die übrigen in der Nähe von Münstereifel liegenden Ortschaften waren entweder nicht in gleichem Maße für den Weinbau geeignet oder, was auch möglich ist, nicht in gleicher Weise der Abtei Prüm dienstpflichtig. Gelegentlich wurden neue Weinberge angelegt. So verlieh Erzbischof Rothbert von Trier im Jahre 952 als Erblehen an Wido Land an der Lieser und zu Altrich, um Weingärten daraus zu machen.

Bevor wir den Weinbau in den übrigen Teilen unseres Gebietes an der hand des Güterverzeichnisses weiter betrachten, wenden wir uns zunächst der Frage zu, welche Gründe wohl für das Verschwinden des Weinbaues aus den eben besprochenen Gegenden maßgebend gewesen sein können. Wir sehen noch heute an der Giebelwand manchen Weinstock stehen, der jedoch unter der Einwirkung der vielen Pflanzenkrankheiten und des ungünstigen Standorte meist ein kümmerliches Dasein fristet, so daß seine Trauben nur selten zur vollen Reife gelangen. Aber auch in den guten Lagen am Rhein und an der Mosel gedeiht der Wein nicht alle Jahre in gleicher Weise, und auch hier ist der Weinbau im Laufe der Zeit aus den weniger günstigen Lagen vielfach verschwunden. Am Rhein liegt heute die Nordgrenze des Weinbaues bei Bonn, und am weitesten nach Norden vorgedrungen ist wohl in der Rheinprovinz ein vereinzelter Weinberg bei Maubach im Rurtal südlich von Düren. Doch auch am Rhein wurde früher noch nördlich von Bonn Wein gezogen. Das bezeugen wiederum die Flurnamen, die sich allenthalben am Vorgebirge zwischen Bonn und Brühl finden. Dort ist fast in jedem Dorfe wenigstens dem Namen nach noch ein „Wingert“ vorhanden. Einen großen Weinberg hatte im Mittelalter auch die Pfarrei Severin in Köln unmittelbar vor den Toren der Stadt.

Welches sind denn nun die Hauptbedingungen für das gute Gedeihen des Weinstocks? Neben guter Pflege offenbar genügender Sonnenschein und günstige Lage am Südhang eines Berges, womöglich in der Nähe eines Gewässers; denn bei solcher Lage wird die unmittelbare Bestrahlung durch die Sonne noch verstärkt durch die Zurückstrahlung von der Oberfläche des Wassers; auch mildert das Wasser als schlechter Wärmeleiter den Unterschied zwischen den Temperaturen des Tage und der Nacht. Welcher Wärmegrad aber überhaupt zum Reifen der Trauben erforderlich ist, das zeigen uns die guten Weinjahre, die sich bekanntlich durch hohe Sommerwärme und meist auch durch eine gewisse Trockenheit auszeichnen. Regenjahre, in denen zuweilen infolge anhaltender Niederschläge auf hochgelegenen Fluren der Eifel um Allerheiligen der Hafer noch nicht reif ist, könne unmöglich gute Weinjahre sein.


Blick aus Süden zur oberen Terrasse - Woengede - Digitalfoto vom 18.4.2002 - 14.15 Uhr


Nach der von der Aachener Wetterwarte herausgegebenen Übersichtskarte der Rheinprovinz hat die Nordeifel eine mittlere Jahrestemperatur von 8 - 9 Grad, die sich von derjenigen des Rheintales nur um 1 - 2 Grad unterscheidet. Es könnte nun den Anschein haben, als ob in einem so geringen Wärmeunterschied eine Verschiebung der Weingrenze nicht sowohl auf die mittlere Jahreswärme, als vielmehr auf den Grad der mittleren Sommerwärme an. Hohe Sommer- und tiefe Wintertemperatur können denselben Durchschnitt ergeben wie mäßige Sommerwärme und mäßige Winterkälte. Ein treffendes Beispiel für diese Verhältnisse gibt uns Irland mit seinem gemäßigten Klima. Das nördliche Irland hat nämlich gleiche mittlere Jahrestemperatur mit dem mittleren Deutschland und ebenso milde Winter wie Konstantinopel, während die Sommerwärme dieses Eilandes die von Finnland nicht übersteigt. Infolgedessen grünt in Irland der Winter die Myrte ebenso freudig im Freien wie an den Ufern des Bosporus, während die Sommerwärme hier wie in Finnland nicht ausreicht, Trauben und Wallnüsse zur Reife zu bringen. Also kann nur verminderte Sommerwärme den Rückgang des Weinbaues aus höherliegenden in tieferliegende Gebiete verursacht haben, und an der äußersten Grenze des Weingebietes muß dies besonders augenfällig in Erscheinung treten.

Die klimatischen Verhältnisse der Erde sind im Laufe der Zeit einem großen Wechsel unterworfen gewesen. Es hat Zeiten gegeben, da in unserer Gegend jene tropischen Bäume wuchsen, deren gewaltige Stämme die Braunkohlen- und Steinkohlenlager bildeten, die uns schier unerschöpflich scheinen. Auch lebten einmal in der Eifel Tiere, deren nächste Verwandte jetzt nur noch in der heißen Zone heimisch sind. Mammut und Urochs, Löwe, Hyäne und Höhlenbär haben hier gehaust, wie noch neuerdings die Ausgrabungen in der Kakushöhle gezeigt haben. Zu anderen Zeiten hat aber in unserem Gebiete auch größere Kälte geherrscht als heute, und die ganze norddeutsche Tiefebene war einmal von Gletschern bedeckt, die ihre unvergänglichen Spuren in den Granitblöcken zurückgelassen haben, deren Heimatland die Gebirge Skandinaviens sind. Mag nun der Wechsel von tropischer Hitze zu eisiger Kälte sich im Verlauf großer Zeiträume vn vielleicht mehr als 10.000 Jahren vollzogen haben, oder mögen, was mir wahrscheinlicher zu sein scheint, heiße Sommer auf kalte Winter im Laufe der einzelnen Jahre aufeinander gefolgt sein, sicher ist, daß die Gegensätze sich ganz allmählich ausgeglichen haben. Neben diesem großen Klimawechsel hat es auch Schwankungen von geringerer Dauer gegeben. Gegenwärtig ist das Klima Westeuropas gemäßigt und nur als Ausnahme treten schroffe Gegensätze auf. Vor 1000 Jahren muß das anders gewesen sein. Nur warme Sommer können die Weintrauben im oberen Erfttale zur Reife gebracht haben, und doch waren die Winter so kalt, daß nach dem Güterverzeichnis die Dienstpflichtigen große Mengen ins Prümer Kloster schaffen mußten, damit „der Kämmerer des Konventes ein mächtiges Feuer (ignem copiosum) den ganzen Winter hindurch von Allerheiligen bis Ostern für die Brüder im Heizraum unterhalten konnte, das von beginnender Frühmette bis zum Abendgebet dauerte“. Bei einer Sommerwärme, wie sich uns das gute Weinjahr 1911 ausnahmsweise beschert hat, können auch heute noch im oberen Erfttal die Weintrauben zur Entwicklung und vollen Reife gelangen.


Alte Weinbauorte (Repro nach Gesch. Handatlas d. Rhl.)
Aus: 1100 Jahre Wingarden - Hans Regh:
Weinbau in Weingarten


Wenn nun die Witterungsverhältnisse früherer Zeiten dem Weinbau günstiger gewesen sind als heutzutage, dann müssen die Erträgnisse solcher Gebiete, wo jetzt noch Wein wächst, den Fleiß des Winzers doppelt gelohnt haben. Wir finden das in etwa bestätigt an der Ahr. Im Ahrgebiet hatte die Abtei Prüm nach dem Güterverzeichnis mehrere Güter mit Weinbergen. In Pützfeld (buzzeuswelt) bei Brück war ein Herrengut von 31 Morgen mit einem Weinberg für vier Karren, in Kreuzberg (crucebergh) ein solches von 35 Morgen mit Weinertrag für eine Karre und in falancia bei ara (Altenahr) war ein Weinberg mit einem Ertrage von 15 Eimern = ½ Karre. Ein großes Herrengut von 120 Morgen war in Kesseling (keslighe); es hatte einen Weinberg in degeranauale (wahrscheinlich Dernau) für drei Karren. Eine besonders gute Weinquelle war Ahrweiler (arwilre) mit seiner Umgebung. In Ahrweiler selbst hatte ein Gutshof einen Weinberg für acht Karren. Ein Weingarten in willolfesdal brachte 16 Karren, in calenberhe und adenbahe 20 Karren. Hierzu kamen noch von den Lehen (pitteren) 32 Karren, das machte zusammen 76 Karren. Noch eine gute Besitzung lag in der Nähe von Ahrweiler mit den besten Äckern und Weinbergen, walpretdeshoven (Walporzheim) genannt. Außer dem Herrengut gab es in Ahrweiler noch 29 Hoflehen. Von diesen hatte jedes alljährlich ein Faß (tonnam), zwölf Reifen (circulos), zwei Karren Pfähle und einen Eimer Wein zu liefern. Fünf der genannten Dienstlehen, die in Cregellinheym bei Sinzig (Lyneche) waren, lieferten je sechs Eimer Wein und 36 Reifen.

Es ist nun lehrreich zu erfahren, wie sich die Lebensverhältnisse in den 329 Jahren seit der ersten Aufstellung des Güterverzeichnisses bis zur Erneuerung desselben geändert hatten. „Kesseling ist eine gute und nützliche Kurie“, sagt Cesarius, „viele Einkünfte gehen dort sehr häufig ein.“ Gleichwohl waren von den ursprünglichen 21 Lehen nur noch 16 übrig. Der Weinberg in Dernau wird bei der Aufzählung der noch bestehenden Einkünfte in Kesseling nicht mehr erwähnt. Statt dessen gehörten dahin fünf kleine Weinberge in Ahrweiler, die für die Halbscheid des Ertrages (ad medietaten) gepflegt wurden und fünf bis sechs Ohm = ein Fuder Wein brachten. Auch in Ahrweiler selbst hatten sich die Verhältnisse geändert. Während ehedem 29 Hoflehen verzeichnet waren, gab es jetzt nur noch sieben kleine Lehen. Diese mußten zwar noch den Weinberg, der auf dem Berge vor dem Gute lage, bearbeiten und den Dünger dazu liefern, doch brauchten sie keine Fässer und Reifen mehr zu geben, hierfür zahlten sie acht Denare, die Waspennege (Wachspfennige) genannt wurden. Der Gutsverwalter (bomesher) hatte den Weinberg zu bepflanzen, was profen (pfropfen) hieß. Er lieferte 15 Ohm Wein und jeder von den sieben Lehnsleuten ein Ohm, also im ganzen 22 Ohm, was einen großen Rückgang gegenüber den ursprünglich verzeichneten 76 Karren darstellt. Für unsere Untersuchung ist besonders der Umstand von Bedeutung, daß keine Fässer und Reifen mehr geliefert wurden, was möglicherweise auf einen Rückgang des Weinbaues überhaupt, sicherlich aber auf eine große Veränderung der Abgaben im Verlauf jener 300 Jahre schließen läßt. Cesarius meint zwar, die erwähnten „tunnen“, seien keine Fässer gewesen, mit denen der Wein befördert wurde, sondern andere für die Weingewinnung nützliche Gefäße, die man „buden“ nannte. Wie dem auch sei, für Bütten und Bottiche scheint man damals auch nicht mehr Verwendung gehabt zu haben.


Die obere Terrasse - Woengede - Digitalfoto vom 18.4.2002 - 14.08 Uhr


In mancher Hinsicht sind auch die Veränderungen beachtenswert, die sich auf Einkünfte aus Luxemburg (luzellenburhc) beziehen. In Luxemburg wächst noch heute ein trinkbarer Wein, den die Eingesessenen „Grächen“ (Gräuchen) nennen. Vor 1000 Jahren gab's in Remiche (remeghe) ein Gut, das von den Weinbergen 20 Karren einbrachte. In und bei Remiche waren außerdem 29 Hoflehen, die an Getreide je 5 Scheffel oder unter vieren eine Karre Wein nach Prüm zu fahren hatten. Hierzu bemerkte Cesarius:

„Unsere Lehnsleute von Remische sind jetzt verpflichtet, wenn es ihnen aufgetragen wird, zu Schiff nach Metz zu gehen und von dort unser Salz in unsern Hof von Schweich abzufahren. Sie sind dafür frei von der Anfuhr, die sie mit Getreide oder Wein nach Prüm machen müßten. Wenn aber das Salz nach Schweich gekommen ist, müssen es von dort die Fuhren jenes Gutes in unsere Keller abfahren.“

Es ist nun auffallend, daß die Abtei Prüm wie an Wein, so auch an Salz einen großen Überfluß hatte. Viele Lehensleute waren sogar verpflichtet, Wein und Salz für das Kloster zu verkaufen. Die hierzu bestimmten Lehen befanden sich meist inder Gegend von Prüm und an der Kyll, z.B. in rumersheym = Rommersheim, herlensdorpht = Hersdorf, gundensdorpht = Giesdorf, walmersheym = Wallersheim, caldenburne = kalenborn, sarensdorpht = Sarresdorf, ettellendorpht = Etteldorf, lizendorpht = Lissendorf, ormunte = ormont, Alve = Bleialf u.a.a.O.

Hiermit sind die Angaben des Güterverzeichnisses, soweit sie den Weinbau betreffen und sich auf das engere Eifelgebiet beziehen, in der Hauptsache erschöpft. Doch glaube ich, nicht unerwähnt lassen zu dürfen, daß auch noch Güter an der Mosel und am Rhein lagen, die dem Prümer Kloster eine beträchtliche Menge Wein einbrachten. So heißt es in einer Übersicht über die Einkünfte von Schweich und seiner Umgebung: „Hier sind 15 Hoflehen. Jeder liefert an Wein 10 Eimer, das sind 150 Eimer und machen 5 Karren.“ In ähnlicher Weise werden die Einkünfte von Mehringen (merrengke) zusammengefaßt: „Von 57 Lehen liefern 30 an Wein 450 Eimer, macht 15 Karren, und die übrigen 27 liefern 351 Eimer, macht 11 Karren und 21 Eimer.“ Da Cesarius hierzu bemerkt, daß 5 Eimer gleich 1 Ohm (vorname) und 1 Karre gleich einem Fuder (vronevuder) sei, so ergibt sich folgende Maßvergleichung: 1 Fuder = 6 Ohm = 30 eimer = 1 Karre.


Verbreitung der Wingert-Namen (Repro nach Gesch. Handatlas d. Rhl.)
Aus: 1100 Jahre Wingarden - Hans Regh:
Weinbau in Weingarten


In welcher Weise die Weinlieferung erfolgte, geht aus einer anderen Bemerkung hervor, die zugleich zeigt, daß die Abgabepflichtigen auch noch eigenes Besitztum hatten, wenigstens ums Jahr 1222. Die Stelle möge wegen dieser ihrer Bedeutung in wörtlicher Übersetzung folgen:

„Man muß wissen, daß die Dienstleute, die unsere Lehen haben, verpflichtet sind, die ihnen durch jene Lehen zugewiesenen Weinberge gut und aufs beste zu pflegen. Bei der Weinernte müssen sie die Erträge sammeln und zu unserm Kelterraum fahren und dort in unserer Kelter den Wein hervorlocken (pressen). Zwei Teile von dem Wein, der dann hervorkommt, müssen wir erhalten, von dem dritten noch übrigen Teile aber müssen sie unsere Einschätzung (Steuer) und unsern Beamten ihre Gerechtsame zahlen. Wenn ihnen etwas fehlen sollte, daß sie ihre Verpflichtungen nicht ganz erfüllen können, was jedoch selten geschieht, müssen sie von dem Wein ihrer übrigen Weinberge das Fehlende ergänzen. Wer von dem erwähnten Wein Überfluß hat, kann ihn für sich behalten.“

In Kochem (chuckeme) war in alter Zeit ein Herrengut, das als Übergangslager eine besondere Bedeutung hatte. Die Güter der Abteil nämlich, die im Bistum Worms lagen, hatten die Anfuhren von Getreide und Wein nach Kochem zu Schiff zu machen. Hier wurde von alters her der Wein und das Getreide verkauft oder durch die Fuhren jenes Gutes nach Prüm gebracht. Dienheim bei Oppenheim in Rheinhessen lieferte 12 Fuder. Es würde zu weit führen, alle Besitzungen und Einkünfte der Abtei hier zu erwähnen. Doch auf einen Punkt sei noch hingewiesen. Die in dem Verzeichnis enthaltenen Dienstbarkeiten und Leistungen kamen bei weitem nicht alle dem Kloster in Prüm selbst zugut, sondern waren vielfach anderen Klöstern und Kirchen, sowie Grafen und Vornehmen, deren mehr als 30 aufgezählt werden, übertragen. Diese übernahmen dafür andere Verpflichtungen, besonders den Schutz und die Verwaltung der Güter. Als Beispiel sei angeführt, wie sich die bei Unkel (unckele) verzeichneten Einkünfte verteilten:

„Wernarius hat Weinberge in unckele, in enizfeld, in mylenheym und in dottendorpt für 5 Karren und 20 Eimer, dazu ein Hoflehen in mylenheym, das ihm 5 Schillinge (solidos) zahlt. Ruotboldus hat in unckele Wein für 1 Karre. Reinfridus hat als Vorgesetzter Weinberge für 3 Karren und zwischen budendorpht und gadenberhe für 1 Karre, Willibertus für 3 Karren und in vintre für 5 Karren. Vothilarius hat Weinberge zwischen unckele und pissenheym und vintre, 2 pitteren für 3 Karren. Balduvihe hat in vintre für 1 Karre und in cazbahc für 3 Karren. Lambertus hat in unckele einen Weinberg für 1 Karre. Zum Gutshof (von Unkel) ist nur für 4 Karren und in vintre für 1 Karre. Focco hat in remagen und in belnere ein Hoflehen, in remagen einen Weinberg für 1 Karre, und jener, der das Lehen hat, zahlt 4 Schillinge; dazu 1 Hoflehen in liezheym, das ihm pflichtig ist, wie jene von bahcheym; zwischen liczheym und mylenheym noch Weinberge für 4 Karren.“


Quelle: Eifelvereinsblatt, Heft Nr. 1 / 1913
Sammlung Hans Regh


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