Einweihung

der restaurierten „Klagemauer“ und der „Madonna in der Klagemauer“ am 21. November 1989











21. November: Unsere Liebe Frau in Jerusalem














Am 21. November begeht die Kirche einen Gedenktag der Mutter Gottes, der als Termin für die Einweihung unserer „Maria in der Klagemauer“ recht gut paß.

Da Fest, um das es am 21. November im liturgischen Kalender der Kirche geht, heißt Preasentation S. Mariae und wir meist übersetzt mit „Darstellung Mariens im Tempel“, gelegentlich finden sich auch andere Ausdrücke wie „Maria Eingang“ oder „Maria Opferung“. Am Ende des 6. Jahrhunderts ist dieses Fest im ganzen Osten der noch jungen Kirche verbreitet. Im Westen findet es erst im 13. Jahrhundert Verbreitung. Es heiß heute: „unsere Liebe Frau in Jerusalem“.

Ursprünglich war dieses Fest vermutlich nichts anderes als der Kirchweihtag der neuen Marienkirche in Jerusalem unter Kaiser Justinian (Mitte des 6. Jhd.). Ebenso wie bei zwei anderen großen Festen, am 8. September und am 15. August verknüpfte sich mit der Kirchweihe einer bestimmten Marienkirche ein Geschehen aus dem Leben Marias. Aus der Kirchweihe wurde das Gedenken eines Marienereignisses. Bei der Aufnahme Mariens in den Himmel (15. August) und Mariä Geburt (8. September) standen also nicht historische Daten, sondern Kirchweihfeste Pate für die Festlegung der jeweiligen Feste.











Was aber ist der Inhalt des Festes der „Darstellung Mariens im Tempel“? Eigentlich wußte man ja herzlich wenig von Marias Geburt, Kindheit, früher Jugend. Das störte in früheren Jahrhunderten nicht - die fromme Phantasie ergänzte, was zu fehlen schien. Überlegungen über das „Wie hätte es sein können“ werden nicht einfach verworfen durch das starre „So steht es geschrieben“. Erst heute, nach der Moderne, sind wir in der Marienlyrik wieder so frei, daß wir auch Aussagen machen über Maria, die sich nicht im reinen Ausmalen vorgegebener Bildraster dogmatisch-exegetischer Art erschöpfen. So gesehen erscheint uns das Fest der Darstellung Mariens im Tempel symphatisch, zumal sich nichts finden läßt, was direkt gegen die hl. Schrift spricht. Im Gegenteil: Die Aussagen „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne“ und „Siehe, ich bin die Magd des Herrn“, die wir traditionsgemäß in das 12. Lebensjahr Mariens datieren, laden dazu ein, sie als Folge ihres bisherigen Lebenswandels zu verstehen.











Wenn wir dieser Argumentation zustimmen und die Auswählung Mariens vom Mutterschoße oder von Geburt an akzeptieren, wie wir es machen bei Isaak, Jeremias, Moses, Johannes d. Täufer etc., dann dürfen wir auch getrost zustimmen, daß eine solche Auswählung Mariens auch äußere Bekundungen fand, z. B. daß sie in ihren Gebetsleben, in ihrer Frömmigkeit, in ihren Tugenden entsprechend aus- bzw. frühentwickelt war. Wir kennen eine ganze Fülle von heiligen Kindern in alter und in neuer Zeit. Folglich erscheint es nur logisch, daß dogmatisch nicht gebundene, didaktisch gut durchdachte Erzählkunst phantasievoll Bildentwürfe zurechtlegte, die besonders in der Frühzeit des Christentums - in diesem Fall geht die Legende auf die Mitte des 2. Jahrhunderts zurück - sehr geschätzt wurden. Sie hatten zu veranschaulichen, was sonst schwer zu vermitteln war.

Das Fest „Darstellung Mariens im Tempel“ bedeutet also ursprünglich: Eine Kirche zu Ehren Mariens in Jerusalem wird an einem 21. November eingeweiht. Marias Kindheit wird verstanden als vom Hl. Geist geführte innere Vorbereitung auf ihre große Aufgabe. Alles weitere ist als „Marienminne“ gut und richtig, aber dogmatisch irrelevant: Die hier gemeinte apokryphe Jakobsquelle (aus der Mitte des 2. Jhd.) schildert recht blumenreich, wie maria im Alter von drei Jahren von ihren Eltern Anna und Joachim in den Tempel gebracht wurde, um dort unter der Aufsicht einer gewissen Hanna (sie taucht im Evangelium bei der Darstellung Jesu als Greisin zusammen mit Simeon auf) zu dienen bis zu ihrem 12. Lebensjahr, als sie mit Josef verlobt wurde. Die Parallele zum Knaben Samuel, der von seiner Mutter Hanna als Vierjähriger in den Tempel zum Hoheprister Heli gebracht wurde, ist einfach ganz offensichtlich. Diese Begebenheit aus dem Alten Bund stand vielleicht Pate bei der Bildung dieser Marienlegende.











„Darstellung Mariens im Tempel“ besagt inhaltlich also vor allem dies: Maria ist auserwählt vom Mutterschoß an (die Unbefleckte Empfängnis ist eine Glaubenswahrheit, keine Legende) und wird unter Anleitung des Hl. Geistes (man bedenke zum Beispiel, daß der Erzengel ihr später sagen wird: „Du bist voll der Gnaden“, „der Herr ist mit dir“ - wir sagen in der Liturgie immer nur „Der Herr sei mit dir/euch“) auf ihre Aufgabe als Mutter Gottes vorbereitet und begleitet: durch Gebet, Opfer, Selbstentsagung, Hingabe, Lehrhaft wird diese richtige Aussage uns gläubigen Menschen plastisch vor Augen geführt durch die fromme Erzählung, Maria sei von ihren Eltern in den Tempel gebracht worden und Gott anverlobt worden; denn „Darstellung im Tempel“ meint auch dies: Maria hat sich ganz dem Herrn in ewiger Jungfräulichkeit anverlobt.

Diese letzte Aussage hat ebenfalls einen klaren dogmatischen Kern: die immerwährende Jungfräulichkeit Mariens.

Der kleine Berg, auf dem unsere Pfarrkirche steht, hat nun eine fein restaurierte Stützmauer. Es drängt sich ganz von alleine der Gedanke des Psalmisten auf: Die heutige 18 m hohe Klagemauer als Rest der Tempelringmauer in Jerusalem ist zwar höher und erhabener als unsere „Klagemauer“, doch der Gedankensprung von unserem Kirchlein hin zum Tempel ist leicht gemacht.

Nikola Reinartz nannte unseren kleinen Kirchberg Golgatha, wobei er frühere Weingartener Traditionen aufnahm und sie weitergab.











Golgata oder Tempel oder Kirchberg - wichtig ist, daß uns die hohe Mauer mit der kleinen Marienfigur erinnert an die Erlösung durch den Sohn Gottes am Kreuz und an unsere eigene Antwort darauf: Gebet, Opfer, Hingabe an Gott...

Es wird sehr schön sein n den Augen Gottes, wenn (nicht nur) Mütter mit ihren Kindern an der „Klagemauer“ vorbeigehen - deswegen wurde der Bürgersteig ja breiter gemacht (!) - und dabei der Gottesmutter sagen, sie möge sich um das kleine Kind kümmern: Darstellung des Kindes ...

Da wir alle vor Gott Kinder sind - sein sollen - dürfen wir uns an die Hingabe erinnern, die unsere Eltern für uns vollzogen haben, als sie uns zur Taufe zum Berg in die Pfarrkirche hinaufgebracht haben.

Darstellung Mariens im Tempel - Maria in der Klagemauer: mit diesem Zeichen können wir viel ausdrücken, wozu uns Zeit und Worte fehlen beim Vorbeigehen oder –fahren. Vielleicht kommt uns auch ein Stoßgebet über die Lippen:












Hilf, Maria, es ist Zeit!
Hilf, Mutter der Barmherzigkeit!
















Pfr. Dr. Peter H. Irrgang


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Festschrift zur Einweihung der restaurierten „Klagemauer“

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