Peter H. Irrgang

Pfarrkirche Heilig Kreuz zu Kreuzweingarten

Kirchenführer und Meditation











Heilig Kreuz zu Kreuzweingarten











Betrachtungen über das Heilige Kreuz, über den Namen der Kirche und über die Schmerzhafte Mutter Gottes.

Zweimal im Jahr feiert unsere Kirchengemeinde das Patrozinium: Groß- und Kleinkirmes. Heute freilich hat die Großkinnes an Bedeutung verloren. Es bleibt nur noch das Fest am 14 . September. Gerne will ich kurz auf die historischen Zusammenhänge dieses Festes eingehen.











Unabhängig von der historischen Festlegung des Feiertages auf die Septembermitte nehmen wir dankbar die Feier des Hl. Kreuzes zum beginnenden Herbst an. Die Ernten werden eingebracht; das Erntedankfest liegt in unmittelbarer Nähe des Pfarrfestes an Kleinkirmes. Wir danken Gott für die Früchte der Ernte, die uns das irdische Leben sichert. An den drei Tagen vor Christi Himmelfahrt im Frühling haben wir ja bei den Bittprozessionen in diesem Anliegen gebetet.

Am Fest des hl Kreuzes danken wir für die Früchte vom Baum des Kreuzes, die uns das ewige Leben ermöglichen. Die Überhöhung des mehr irdischen Dankes für die Früchte unserer Arbeit durch den Gedanken der Kreuzesfrucht entspringt authentisch christlichem Denken.











Gott selbst sandte seinen Sohn in die Welt. Jesus sollte die Welt mit Gott versöhnen, da sie sich von Gott abgewandt hatte und -sich selbst überlassen- nicht mehr in der Lage war, aus der todbringenden Selbstzerstörung herauszukommen. Christus hat uns aber am Kreuz erlöst: "Durch den Baum des Paradieses kam der Tod, durch den Baum des Kreuzes kam das Leben", so definiert Paulus.

"Nun heißen wir Kinder Gottes und sind es", sagt Johannes.

"Das einzige Leben, das zu leben sich lohnt, ist das der Kinder Gottes", sagte einmal ein begnadeter Seelenführer.

Verständlich, ja es drängt sich sogar gebieterisch auf, daß das echte Kreuz von Anfang an besonders verehrt wurde, von dem in einem hier bekannten Lied so innig gesungen wird:

"Heil'ges Kreuz so hoch begnadet, letzte Ruh dem Herrn zu sein;
seinen Leib hast du gebettet, du mit Blut geweihter Schrein.
Kreuz, du Zeuge seiner Liebe, Zeuge seiner größten Pein."

So war es undenkbar, für jeden Christen nahezu unmöglich, sich vorzustellen, daß man dem echten Kreuz Christi nur geringe Beachtung geschenkt hätte. Unter der Verfolgung der Mächtigen -auf der einen Seite der Römer, auf der anderen Seite jener Juden, die sich nicht zu Christus bekehrt hatten und die Nachfolge Jesu für eine Verirrung der von den religiösen Führern der Synagoge verachteten, niedrigen, "unreinen" Menschen hielten- konnte eine öffentliche Verehrung des Kreuzes nicht stattfinden. Es ist nur logisch, daß man die wertvollste aller Reliquien, ebenso wie Grabtuch, Dornenkrone, Lanze etc. versteckt hielt. Bei der Forschung über das berühmte Turiner Grabtuch hat man ja gerade diese ersten drei Jahrhunderte einer genaueren Untersuchung unterworfen. Ähnlich wie dort sind auch hier die Motive der Geheimhaltung gelagert.

So ist es nicht verwunderlich, daß erst die Kaiserinmutter, die hl. Helena, nach Erringung der Religionsfreiheit 313 nach dem Kreuz forschte und -so berichten uns die Quellen- es mit göttlicher Hilfe schließlich auch fand.

Unser Antependium (Altarvorderteil zum An- oder Aufhängen) aus der Mitte des 18. Jahrhunderts hängt normalerweise im alten Beichtraum, nur in den beiden Wochen nach dem Patrozinium am 14. September hängt es am Altar. Es zeigt den Moment der Kreuzauffindung und der Kreuzerhöhung durch die hl. Helena. Deutlich sieht man die legendäre gelähmte Frau, die man auf die ersten beiden Kreuze gelegt haben soll. Erst als man sie auf das dritte Kreuz legte, so berichtet die Legende, sei sie sofort geheilt worden, so daß die anwesenden Bischöfe nicht mehr zweifelten, welches von den drei gefundenen Kreuzen das richtige war.

Wir haben keine Beweise zum historischen Ereignis der Kreuzauffindung. Dennoch kann man in Analogie zu anderen Überlieferungen, die sich bereits als echt herausgestellt haben, sagen, daß mehr dafür als dagegen spricht, daß die hl. Kaiserin tatsächlich das echte Kreuz gefunden hat, denn das Datum haben uns die Quellen auch angegeben: es war der 14. September 320. Helenas Sohn, Kaiser Konstantin, ließ an der Auffindungsstelle das "Martyron", die Kirche ad crucem bauen, die am selben Tag fünfzehn Jahre später eingeweiht wurde.











Ein anderes geschichtliches Problem ergibt sich aus der jahrhundertelangen Verehrung der Kreuzpartikel. Unter Kaiser Konstantin sind die Teile des Kreuzes nach Konstantinopel und nach Rom gelangt. In Rom ließ die hl. Helena eine Basilika in die uns bekannte Kirche S. Croce in Gerusalemme verwandeln. Auch nach Deutschland kamen von dort größere Stücke des Kreuzes Christi, so z.B. nach Donauwörth, Wieblingen, Maria Laach, Limburg, Köln und auch nach Kreuzweingarten in unsere Pfarrkirche. Als Ende des 7. Jahrhunderts die Kreuzverehrung ihren Höhepunkt fand in der Errichtung eines eigenen Kreuzfestes, war Willibrord in Rom. Ob damals bereits die ominöse große Kreuzpartikel zu uns kam? Leider ist diese beträchtliche Kreuzpartikel verloren gegangen. Die heutige Kreuzreliquie in unserer Pfarrkirche stellt ein Teilchen einer größeren Reliquie dar, welche vom Trierer Erzbischof Balduin, dem Bruder Karls IV, der Kartause in Trier geschenkt wurde. Davon kamen dann durch den Trierer Weihbischof von Hontheim zwei kleine Splitter, kreuzweise übereinandergelegt und in einer silbernen Kapsel verschlossen, 1804 an unsere Pfarrkirche. Sie befinden sich im Reliquiar vom Ende des 18. Jahrhunderts im Seitentresor des Altarraumes und werden am Karfreitag, an der Groß- und Kleinkirmes, zur Verehrung des gläubigen Volkes vorgetragen.











Wir verehren das Kreuz sehr. Wir danken für die Früchte des Kreuzes bei jeder hl. Messe. In der Kreuzwegandacht sagen wir den Grund dazu: "Denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst." Alle anderen Gnaden, die wir erhalten, von der Taufe bis zum christlichen Tod, sind Früchte eben dieses Kreuzesopfers.

Christ sein, Gottes Erbarmen erfahren, heißt dann aber auch immer teilhaben am Kreuzesopfer Christi. Die Mitte allen christlichen Lebens ist nicht einfach nur ein Gedächtnis des "kruzialen" Augenblicks der Menschheitsgeschichte, sondern sie muß in den Herzen der Menschen wirksam werden.

Fragen wir nach dem Sinn der Beschwernisse hier auf Erden, nach dem Sinn des Leidens, so finden wir ihn in der Identifizierung mit dem Kreuzesopfer Christi.

Nun mag es uns bei dieser Aussage ergehen wie bei so manchen anderen Aussagen unseres Glaubens. Wir keimen sie, wir können sie uns aber manchmal nicht einverleiben. Wenn der Glaube nicht "vom Kopf ins Herz fällt", findet er kein Echo in unserem Leben.

Könnten wir es bei der eben gemachten Aussage -"wir finden den Sinn unseres Lebens im Einssein mit dem Kreuz Christi"- so halten wie Maria, von der es im Evangelium heißt: "Sie aber bewahrte alle seine Worte in ihrem Herzen."

Schauen wir es der Mutter Gottes ab. Gehen wir ein bißchen in ihre Schule. Wie? Diesmal haben wir keine zu schwere Aufgabe zu erfüllen. Die Antwort auf diese Frage steht in unserer Kirche auf dem Seitenaltar. Es ist das Vesperbild, die Pietá, oder - wie wir auch feierlicher sagen können - die Darstellung der Schmerzhaften Mutter Gottes. Die Betrachtung dieser Skulptur kann es uns erlebbar, nachvollziehbar machen, was gemeint ist. Betrachten wir die Figur.











Um das Jahr 1430 könnte unsere Pietá entstanden sein, Reinartz meinte zuerst 1550, später 1530. Die Herkunft ist noch nicht geklärt. Nikola Reinartz hat sie 1922 hergebracht. Er schrieb, daß sie ein Geschenk ist. Aber woher sie stammt, hat er verschwiegen. Vielleicht stimmt es, daß sie aus dem südlichen Alpengebiet stammt. Die Nähe -örtlich wie zeitlich- zu Michelangelos Pietá im Petersdom muß ja nicht nur ein frommer Wunsch sein. Aber vielleicht ist die Verlagerung in den fernen Süden doch eher ein Ablenkungsmanöver. Sie stammt vermutlich aus dem Rheinland.

Eigenartig ist sie ja, unsere Marienfigur. Wer kommt schon auf die Idee, der Schmerzhaften Madonna mit dem toten Sohn auf dem Schoß den Anflug eines Lächelns ins Antlitz zu prägen? Man muß das einmal gesehen haben.

Wenn die Beleuchtung und das Tageslicht den richtigen Winkel haben, darin sieht man dieses Antlitz der Schmerzhaften Gottesmutter mit dem heiterem Gesichtsausdruck und den in die Ferne schauenden Augen. Es lädt zu vertrauensvollem Gebet ein oder auch zu langer und tiefer Betrachtung: wie paßt das heitere Antlitz der Figur mit dem so verständlichen Ausruf, die die Karliturgie der Schmerzensreichen in den Mund legt: "Groß wie das Meer ist dein Schmerz".

Noch kürzer und präziser gefragt: Wie passen Freude und Schmerz zusammen, wenn sie denn überhaupt zusammenpassen sollen?











Eine Betrachtung über diese Zusammenhänge zu halten, noch dazu mit einem so lebendigen Bild vor Augen, kann zur Antwort der vorhin zurückgestellten Frage führen: Wieso finden wir den Sinn des Lebens im Einswerden mit dem Kreuz Christi?

Wenden wir unseren Blick nicht ab von der Pietá mit ihrem ausdrucksstarken Antlitz und lassen wir die Worte Schmerz und Freude in unserem Herzen nachklingen:

Schmerzen haben... Froh sein... Haben... Sein...

"Ich habe Kummer, habe Sorgen, habe Leid, Schmerzen, Kreuz" etc. Hier drücken wir uns mit dem Verb haben aus. Das Gegenteil von ich habe ist ich habe nicht. Das Gegenteil von ich habe ist also nicht ich bin nicht: "haben - nicht haben" ist nie das Gegenteil von "sein - nicht sein". So aber drücke ich mich aus, wenn ich mich freue: "ich bin froh". So kann ich etwas sein, z.B. kann ich froh sein und davon unabhängig etwas haben oder auch nicht haben, zum Beispiel Kummer, Sorgen, Leid, Schmerz, Kreuz.

Froh sein und Schmerz haben, sind kein absoluter Widerspruch.

Das Gegenteil der Freude ist die Trauer. Hier drücke ich mich ebenso aus wie bei der Freude, nämlich mit dem Verb sein. Ich bin, du bist froh - oder traurig. Dieser Gegensatz läßt sich nicht aufheben. Man muß sich schon zur Freude durchringen oder man wird zur "traurigen Figur".

Weil diese Überlegung verwirren könnte, möchte ich es noch einmal anders ansprechen. Was ich habe ist nicht so wichtig wie das, was ich bin! Da wir aber Menschen aus Fleisch und Blut sind, haben wir immer etwas oder haben es nicht. Aber so, wie wir mit dem umgehen, was wir haben oder nicht haben, prägen wir unseren Charakter, prägen wir unser Sein: so sind wir dann auch. Nicht wer viel hat, ist froh, sondern der, der mit dem richtig umzugehen versteht, was er hat oder nicht hat. Was wir sind, hängt also nicht ab vom Haben oder Nichthaben.

Nun wissen wir aber aus Erfahrung, daß nichts Großes geschieht ohne Opfer. Wir lernen noch nicht einmal die einfachsten Dinge ohne Mühen, ohne Überwindung. Die Mutter, die ihrem achtjährigen Sohn noch die Schnürsenkel zubindet, damit dieser sich nicht zu bücken braucht ("er soll es besser haben als ich, als ich klein war"), zieht sich einen Tyrannen groß, und sie wird sein erster Sklave sein, Der Junge wird sein Leben nie meistern, denn das geht nicht ohne Überwindung, ohne Kampf, Opfer, Schmerz, Leid, Kreuz...

Man wird nicht ein froher Mensch, weil man alles hat, sondern weil man gelernt hat zu verzichten, weil man gelernt hat, sich zusammenzureißen, zu opfern, zu lieben; denn wer wirklich liebt, hat alles hingegeben, hat also nichts mehr, und ist deswegen nicht traurig, sondern "ansteckend" froh.

Gerne erzähle ich bei Hochzeitspredigten, wie Bräutigam und Priester einander ähneln. Der Bräutigam hat auf alle Frauen der Welt verzichtet bis auf diese eine, seine Braut. Der Priester hat auch auf diese eine verzichtet. Beiden fällt der Verzicht nicht schwer, weil beide lieben und glücklich sind.

Der Anflug eines Lächeln auf dem Antlitz der Pietá ist von ganz tiefer Bedeutung! Seit 1430 ist sie sicherlich des öfteren farblich neu gefaßt worden. Vermutlich dürfte aber der Farbauftrag des Gesichtes die ursprüngliche sein. Das letzte Wort ihres Sohnes am Kreuz war: "Es ist vollbracht."

Was war da vollbracht? Das Werk der Erlösung! Und das war sehr gut. Das Beste, was überhaupt denkbar ist. Wir sind durch den Tod Christi erlöst worden. Das ist besser als alles, was es je gab und je sein wird bis ans Ende der Welt.

Gott hat uns erlöst. Dich. Mich. Kann man da noch traurig sein?

Maria hat das größte Opfer vollbracht, das eine Mutter bringen kann. Sie hat ihren Sohn hingegeben. Und was für einen Sohn! Nun ist sie "Miterlöserin". Auf ihre Weise hat sie, wie schon während ihres ganzen Lebens, an der Erlösung mitgewirkt. Auch das ist nun vollbracht. Sie hat es vollbracht mit Hilfe der Gnade Gottes. Kann sie da traurig sein?

Bei uns allen bewirkt das Kreuz etwas Gutes in der Tiefe unserer Seele. Allerdings nicht automatisch! Das Kreuz Christi ist für jeden in Reichweite. Es ist aber immer ein Kreuz, das einem keinen Spaß macht. Es ist eben Kreuz und nicht eine Spielerei oder Schwärmerei. Die Christusnachfolge hat ja auch nichts mit Schwärmerei zu tun. Jesus hat nicht gesagt: "Wer mein Jünger sein will, der sei begeistert", sondern:

"Wer mein Jünger sein will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach" (Mt 16,24).

Es geht also nicht darum, ein dickes Fell zu bekommen oder gar zum Stoiker zu werden (der liebt nämlich nicht!), sondern darum, das Kreuz anzunehmen. Die Christusnachfolge ist aber auf keinen Fall eine Sache für "Trauerklöße", sondern für Menschen wie Du und Ich. Denn das Gegenteil der Freude ist eben nicht der Schmerz, sondern die Trauer. Ein "trauriger Heiliger" ist eine Karikatur. Es gibt ihn nicht.

Maria zeigt in ihrem Gesichtsausdruck den Sieg Christi über die Sünde, auch über deine und meine Sünden, und über den Tod als Folge der Sünde. Daher ihr Blick in die Ferne...

Auch wir können an diesem Sieg Christi teilnehmen, der auch der Sieg Mariens ist. Sie zertritt der Schlange den Kopf -"conteret caput", heißt es auf Latein im rechten Altarfenster. Können wir da noch traurig sein?

Der Rest der Antwort muß in jedem selber heranreifen. Nehmen wir die Gelegenheit wahr, Betrachtung zu halten in der stillen Kirche vor der Pietá. Nur wer betet, dringt -sogar existentiell- zum Sinn des Lebens, damit auch zum Sinn des Leidens als Teil unseres Lebens durch, versteht also das Kreuz.

Wer betet, vermag letztlich trotz allen Leids, das keinem erspart bleibt, recht zu verstehen, zu leben, zu lieben, zu handeln. Wer aber nicht betet, ist schneller traurig als ein Heide.

Betrachtung, betrachten, beten... Schließlich vermagst du so viele Tränen zu haben, wie du willst, ganz in der Tiefe deiner Seele wirst du es werden können:

froh...











... Sancta sancte tractanda - die Pflege der heiligen Gefäße











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