Kölner Stadtanzeiger vom 4. November 1996

Das Kalkarer Moor hängt am Tropf




Feuchtbiotop wäre fast ausgetrocknet, weil Pumpe von 1962 ihren Geist aufgab - RP bewilligte Geld für Ersatzgerät - Schutzgebiet für seltene Pflanzen, Vögel und Insekten




Von unserem Redakteur Manfred Lang

Bad Münstereifel-Kalkar – Daß es sich beim Kalkarer Moor um ein ganz bedeutendes Feuchtbiotop handelt, steht außer Frage. Seltene Niedermoorpflanzen wie Sumpfherzblatt, Knabenkräuter, Sauergräser und die echte Sumpfwurz kommen dort vor. Ebenso äußerst rar gewordene Vögel wie Feldschwirl und Braunkehlchen – dazu gesellen sich Falter von der Güte eines auf dem großen Wiesenkopf brütenden Bläulings, ein Schmetterling, der schon vor 30 Jahren als ausgestorben galt und vor wenigen Jahren im Moor zwischen Wachendorf / Antweiler, Kalkar und Kreuzweingarten wiederentdeckt wurde.

Das alles, so resümierte der Geobotaniker Professor Wolfgang Schumacher am Samstag vor Ort, ändere nichts an der Tatsache, dass es sich beim insgesamt 15 Hektar großen Biotop um ein “Moor am Tropf” handele. Ziemlich genau seit 1962 fördern Naturschützer aus einem mittlerweile 20 Meter tiefen Bohrloch per Pumpe und Elektroenergie kalkhaltiges Wasser zu Tage, um damit den Kernbereich des Niedermoors unter Wasser zu setzen.



Professor Wolfgang Schumacher vor dem im Frühsommer trockengefallenen Kernbereich des Kalkarer Moors. Erste Schäden sind bereits da, aber das Schlimmste kann wohl verhindert werden. (Bilder: Manfred Lang)

Trotz dieser verzweifelten, weil unnatürlichen Aktion konnte nicht verhindert werden, dass einige Rote-Liste-Arten, die der engagierte Münstereifeler Biologielehrer Dr. Alfons Teichmann hier Anfang der 60er Jahre mit seinen Schülern noch registriert hatte, inzwischen ausgestorben sind. Beispielsweise die fleischfressenden Arten Sonnentau und Fettkraut sind heute vollkommen von der Bildfläche verschwunden.

Dabei spielten offenkundig die Brunnen der Euskirchener Wasserversorgung eine gewichtige Rolle. Die Arloffer Brunnen legten zunächst, bereits um 1959, das sogenannte “Mollpützchen” trocken, aus dem ehedem kalkhaltiges Tiefenwasser aus der Sötenicher Mulde wie ein artesischer Brunnen von allein zu Tage gesprudelt war und das Moor auf natürlichem Wege bewässert hatte.

Im Frühsommer 1996 nun geriet das ökologische Gleichgewicht im Moor – wiederum unbemerkt von der Öffentlichkeit – endgültig in Gefahr: Die alte Pumpe von 1962 gab ihren Geist auf. Seither fehlten etwa 160 Liter pro Minute, die das alte Pumpwerk ins Moor befördert hatte. Das Kalkarer Moor begann auszutrocknen.

Fieberhaft bemühten sich seither der von Norbert Liebing geführte Kreisverband Natur- und Umweltschutz (KNU) Bad Münstereifel und die Untere Landschaftsbehörde beim Kreis Euskirchen um eine Lösung. Mit dabei im Krisenstab auch Robert Kerstein vom Natur- und Umweltzentrum Bad Münstereifel. Michael Schulze von der Biologischen Station des Kreises Euskirchen und der Mentor des Naturschutzgebiets, der Wachendorfer Biologie-Professor Wolfgang Schumacher, der bereits 1966 seine erste Examensarbeit über die Flora und Vegetation im Kalkarer Moor geschrieben hatte.

Rettung per Förderantrag

Es dauerte seine Zeit, bis der Kölner Regierungspräsident einen entsprechenden Förderantrag zur Rettung des Moores unterschrieben hatte. Am Samstag nun war es soweit: Die genannten Naturschützer ließen mit Hilfe des Wachendorfer Landwirts Bernd Wiedenau und einigen Helfern eine neue 5000 Mark teure Pumpe in die Tiefe. Freiwillig und unentgeltlich im Hand- und Spanndienst engagierte sich auch die Münstereifeler Installationsfirma Claus.

Am Nachmittag konnten die entsprechenden Heben umgelegt werden – die neue Pumpe lief an. Professor Schumacher: “Obwohl erste Schäden durch die Trockenheit bereits da sind, hoffe ich, dass das Moor jetzt vor Wintereinbruch unter Wasser gesetzt werden und sich erholen kann.”

Alle Gefahren für das seltene Biotop “Niedermoor” in der Antweiler Senke sind aber noch nicht gebannt. Professor Wolfgang Schumacher verweist in diesem Zusammenhang auf das geplante Gewerbegebiet Kalkar, das bis auf wenige hundert Meter an das hochsensible Naturschutzgebiet heranreichen soll. Schumacher geht davon aus, dass es den Naturschützern im Lande Nordrhein-Westfalen auf höchster Ebene noch gelingen wird, das Gewerbeprojekt in seiner Ausdehnung so zu beschneiden, dass das Kalkarer Moor genügend “Luft” behält.

Der von Norbert Liebing geführte KNU und Schumacher arbeiten außerdem daran, eine natürliche Bewässerung des Moors aus dem Naturschutzgebiet “Grube Toni” herstellen zu können. Dieser Zulauf würde die recht kostspielige Pumperei – der Kreis Euskirchen bezahlt die Stromkosten – überflüssig machen.


Mit Traktorhilfe bugsieren die Naturschützer das über 20 Meter lange Pumpgestänge in einen Schacht neben dem sogenannten “Mollpützchen”.



Sammlung Schulte




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