Die Molche vom Hardtberg

Eine Jugenderinnerung

Von Heinrich Klein


Wie schön der Anlaß an eine Erinnerung: Ein Jugenderlebnis, so um 1958 - vor über 40 Jahren erlebt, ins Gedächtnis gerufen - als wir damals wohl 7- oder 10jährig durch den Ort und die benachbarten Wälder und Gärten in jener reuigen aufstrebenden Nachkriegszeit der 50er Jahre unbekümmert unseren Jugendspielereien nachgingen.

Jedenfalls erinnert sich so mancher noch, daß vor dem Eingang zur Villa Becker wohl etwa einige Meter entfernt vom Eingangstor ein kleines Rinnsal aus einem künstlich angelegten kleinen steingefaßten Teiche hervorkam, dessen Neugierde manches Kind magisch anzog. Ein kleiner Brunnen, ein kleiner Teich, ein Bächlein aus dem feuchten Hardwald, herabsprudelndes Wasser in einem aus Bruchstein eingefaßten kleinen Quellbächlein.

Geschützt unter den kühlen Blättern der Bäume hielten sich hier einige heute kaum noch anzutreffende Molche auf. Im Schutz der Blätter und der moosigen Steine kaum wahrzunehmen, geschützt durch ihre dunkle Haut, durch spiegelnde Wasserflächen und Lichtreflexe unter wogendem Baum- und Blätterdach des Waldes.

Und trotzdem schien das Wasser klar. Klar wie das Wasser auf einer Straße bei Dauerregen, klar wie ein langsam dahinfließender Gebirgsbach. Ab und zu gestört durch einen Halm, ein Blatt oder ein Insekt, welches sich auf der Oberfläche dahintreiben läßt. Klar zum Hindurchschauen auf den Grund des Beckens und dort zwischen welken herabgesunkenen schon schwarz scheinenden Blättern sah man sie im Schatten der spiegelnden Wasseroberfläche dann sitzen. Molche, wohl 8, 10 oder 12 cm lang, schwarz bis dunkelbraun scheinend.



Schwups, die Hand schnell ins Wasser getaucht und schon hatte man es, das Krabbeltier. Zurückgetan ins Becken, wieder gefangen, ein anderes entdeckt und schwups, ein weiteres war gefangen.

Ich weiß nicht, was uns trieb, jedenfalls irgendjemand hatte eine Konservendose dabei, in die er einige Molche hineintat und mit hinunter ins Dorf mitnahm. In der Erft grub man in einer Kiesbank ein Loch und leitete Wasser hinein. Einfach ein jugendlicher Gedanke, der dort ausgespielt wurde. Hier ein Becken mit Molchen, später ein Becken mit kleinen Fischen. Dann ein kleiner Graben gezogen, frisches Wasser einfließen lassen, Molche in ein anderes Becken, Fische entkommen lassen. Neues Becken graben und so weiter. Elritze hießen die ganz ganz kleinen Fische, die es auch direkt vor der Schmiede Spilles im Mersbach neben dem Café Plüisch gab. Gefangen und getragen mit der Hand, und wieder ausgesetzt im Wasserbecken inmitten der Erftkiesbänke.

Am nächsten Tag zog ich wieder los, diesmal mit einer Konservendose. Vielleicht spürte ich so zum erstenmal mein Gewissen. Schließlich hatten wir tags zuvor ja schon einige mitgeholt. Aber es sollten ja einige Molche ihrer Heimat erhalten bleiben. Ich weiß nicht, 5 oder 7 Molche mögen es gewesen sein, die ich anschließend in meinem eigenen kleinen Becken in der Erft freiließ. ...

Jedenfalls am anderen Morgen waren sie nicht mehr da. Schließlich konnten Molche sowohl im Wasser, als auch zu Lande leben und haben sich ihren Weg in die Freiheit gesucht. Ich weiß nicht, ob es ein oder zwei Tage später war, jedenfalls beim Spielen im Wasser verletzte ich mich gewaltig an einer scharfen Glasscherbe in der Erft und mußte von einem Arzt genäht werden. Bald darauf wurde die Erft ausgebaggert und die Kiesbänke, die sich nach dem letzten Hochwasser gebildet hatten, kamen weg. Irgendwann später wurde die Erft dann eingefaßt und es hat bald keine fischenden Kinder mehr in der Erft gegeben. Hochwasser, die die Fische auf die Wiesen des Erfttales spülten, gab es auch nicht mehr. Auch Molche sah ich jahrelang nicht mehr.

Seither verlief meine Freizeit auch irgendwie anders. Es gab keine Fische mehr in unserem Abschnitt in der Erft. Irgendwann zog ich weg von Kreuzweingarten, machte meine Erfahrungen und baute mir ein neues Leben auf. Auch woanders sah ich seither keine Molche mehr, es gab auch immer weniger Frösche, die man manchmal ja am Straßenrand von Autos überfahren vorfand. Erftbegradigungen und Feldentwässerung taten das ihre hinzu. Umweltschutz, Grundwasserabsenkung im Braunkohlerevier, Renaturisierung, Erhaltung von Naturschutzgebieten, Erftauenwälder, Uferwiesen und Feuchtbiotope, jahrelange Problemverdrängung in einer damals wohl von rechts- und linksideologisch orientierten Informationswelt, erst später zu Gedanken von Umwelt- und Naturschutz übergehend.

Aus Anlaß von Recherchen führte mich mein Weg nach wohl 20 Jahren wieder nach Kreuzweingarten und so fuhr ich bei einem ehemaligen Bekannten vorbei, von dem ich mir noch einige historische Fotos von Kreuzweingarten erhoffte. Wir erzählten von allerlei Dingen, die sich in den letzten 20 Jahren zugetragen hatten und er erzählte mir auch, daß er nun leidenschaftlicher Hobbygärtner sei, ich müsse unbedingt seine ungespritzten naturgedüngten Tomaten mal probieren und ... er hätte einen Teich angelegt, in dem neuerdings Molche wohnten. Plötzlich seien sie dagewesen.

Man glaubt nicht, welche tiefen Erinnerungen in mir wachgeworden sind. Und manches Erlebnis aus der damaligen Zeit der 50er Jahre kam mir wieder in den Sinn.

In vielen historischen Bildern Kreuzweingartens liegt sie verborgen, unsere Seele.


Texte und Veröffentlichungen Kreuzweingartens ©

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