750 Jahre Rheder 1240 - 1990

Von der Mühle zum Industriebetrieb

Von Franz Kalff


Rheder liegt zwar nahe der Erft, aber nicht an der Erft. Trotzdem ist die Erft von großer Bedeutung für die Entwicklung des von der Landwirtschaft geprägten Ortes Rheder, indem der einzige Industriebetrieb, die Watte- Verbandstoff- und Vliesstoff-Fabrik Kalff, außerhalb des Ortes am Erftmühlenbach liegt.

In der Vorzeit führte die Erft wesentlich mehr Wasser als heute, und insbesondere nach starken Niederschlägen wurde die gesamte Erftaue überflutet. In dem Gebiet Rheder-Stotzheim teilte sich die Erft in zwei Arme, die westliche Erft und den östlichen Erftmühlenbach, der durch Begradigungen und Regulierungen den Eindruck eines künstlichen Gewässers macht, aber mit großer Wahrscheinlichkeit doch natürlichen Ursprungs ist.


Hochwasser der Erft, ca. 1950


Durch den Bau einer Wehranlage wurde es möglich, eine Verteilung der Wassermengen zwischen Erft und Erftmühlenbach vorzunehmen und insbesondere sicherzustellen, daß dem Erftmühlenbach eine weitgehend gleichmäßige Wassermenge zugeführt wurde. So wurde die Wasserkraft des Erftmühlenbaches nutzbar, und der Erftmühlenbach wurde entscheidend für die Entwicklung der an ihm gelegenen Orte von Rheder bis Großbüllesheim. Nicht weniger als 24 Mühlen wurden an diesem 11 km langen Nebenarm der Erft errichtet.

Sie dienten u.a. als Getreide-, Öl-, Schleif- und Walkmühlen und sorgten für das Entstehen von Textil-, Papier- und Lederfabriken. Heute werden nur noch wenige dieser Mühlen genutzt. Einige dienen zur Stromerzeugung für den privaten Verbrauch wie zum Beispiel die Kloster-Mühle in Stotzheim, die Bäumers-Mühle in Kuchenheim und die Kompfsmühle in Wüschheim. Aus anderen Mühlen entwickelten sich Industriebetriebe wie die Wattefabrik Kalff, die Papierfabriken Alzenau und Halstrick, die Lederfabrik Graf in Kuchenheim und die Tuchfabriken Müller und Koenen in Kuchenheim. Nach der kürzlichen Stillegung der Papierfabrik Alzenau existieren hiervon heute nur noch die Firmen Kalff und Halstrick. Die Tuchfabrik Müller dient heute als Industriemuseum.

Die Mühle in Rheder diente, bevor sie 1883 als Baumwollbleicherei und Wattefabrik eingerichtet wurde, unterschiedlichen Nutzungen. In der „Topographischen Beschreibung des Cantons Rheinbach“ von Stramberg (1814-16) wird sie als Schleifmühle mit einem Besitzer Schäfer genannt. Eine weitere Erwähnung findet sie dann in einem Aktenstück von 1823 (Archiv des Kreises Euskirchen I. 1097):

„Etwas unter dem Wehr des zwischen Weingarten und Rheder (Kreis Lechenich) das Wasser aus dem Erftfluß zu dem Mühlenteich führt, der in einer Strecke von einer Meile zwey und zwanzig Mühlen breitet, liegt eine Mühle, die Schleifmühle genannt, welche ein früherer Knevels im Jahre 1818 und 1819 in eine Woll-Spinnerei ... umgeändert ...“

Im „Oeffentlichen Anzeiger, Köln, Dienstag, den 21. Januar 1823“, heißt es: „Der Ackersmann Wilhelm Schmitz zu Weingarten, in der Bürgermeisterei Wachendorf, ist gesonnen, in seine auf einem Arm der Erft unterhalb Weingarten, neben Bernhard Schorn und Wittwe Mainz gelegene Oel- und Schleifmühle, mit Beibehaltung der letztern, Maschinen zum Wollspinnen einzulegen.“

Aus dieser Nutzung im frühen 19. Jahrhundert rührt wohl auch die noch heute verwendete Flurbezeichnung „An der Spinnerei“.

Die Erfindung der Verbandwatte verdanken wir den leidvollen Erfahrungen, die der Tübinger Apotheker Prof. Victor von Bruns während des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 machte. Er beobachtete, daß es durch eine unzureichende Wundversorgung mit unreifen Materialien häufig zu starken Entzündungen kam, die nicht selten zum Tode der Verletzten führten. Er entwickelte daraufhin ein Verfahren zum Bleichen von Baumwolle. Durch das Bleichen wird die Baumwolle nicht nur „rein“ (frei von Krankheitserregern), sondern die von Natur aus wasserabweisende Baumwolle erhält eine sehr hohe Saugfähigkeit (50g gebleichte Baumwolle können mehr als 1 l Wasser aufsaugen).

Diese Verdienste des Prof. von Bruns werden heute noch geehrt, indem jeder Beutel Baumwollwatte üblicherweise den Hinweis trägt: „Chemisch rein nach Prof. von Bruns“. Wenig später entstanden an mehreren Orten in Europa die ersten Baumwollbleichereien und Wattefabriken, so die Internationale Verbandstoff-Fabrik, Schaffhausen, die Firma Hartmann in Heidenheim und 1883 als erste Baumwollbleicherei und Wattefabrik im Rheinland die Firma Hub. And. Teusch GmbH, die heutige Firma Kalff in Rheder.

Gründer und erster Besitzer war Hubert Andreas Teusch, ein Kölner, der wegen der günstigen Wasserversorgung Rheder als Standort für seine Baumwollbleicherei wählte. Der Name Teusch sollte nach dem Zweiten Weltkrieg noch eine Rolle in der Entwicklung Nordrhein-Westfalens spielen, indem die Tochter des Firmengründers als Mitbegründer der CDU in Nordrhein-Westfalen und als erste Kultusministerin des Landes Verdienste erwarb, derentwegen sie von der Bundespost in der Briefmarkenserie „Bedeutende Frauen“ neben der Schauspielerin Therese Giese, Clara Schumann u.a. geehrt wird.

Im Jahre 1903 kam Wilhelm kam Wilhelm Kalff von Aachen nach Rheder und übernahm 1909 den Betrieb, der ab 1913 umbenannt wurde in Verband-Wattefabrik und Baumwollbleicherei Wilhelm Kalff. 1918 wandelte er die Firma gemeinsam mit seinem Partner Wilhelm Weisweiler in eine Aktiengesellschaft um mit dem Namen „Weika“ Vereinigte Verbandwattefabriken Weisweiler & Kalff. Obwohl dieser Name nur wenige Jahre bestand - die „Weika“ ging 1930 in den Wirren der Weltwirtschaftskrise unter-, ist er noch heute gebräuchlich als Ortsbeschreibung oder Beschreibung des Arbeitsplatzes („Der arbeitet auf der Weika“).


Die „Weika 1925, ein Ölgemälde von Maria Kalff


In dieser Zeit wurde ein wesentlicher Meilenstein in der Entwicklung der Firma gesetzt, indem mit der Produktion von Vliesstoffen begonnen wurde. Vliesstoffe waren seinerzeit ein völlig unbekanntes Produkt, heute sind sie aus dem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken. Wir benutzen sie täglich zum Beispiel als Umhüllung von Hygieneprodukten wie Windeln oder Damenbinden, als Haushaltstücher und Filter, als Einlegestoffe in Bekleidung, Schuhen und Lederwaren. Rheder darf sich rühmen, die Geburtsstätte für die europäische Vliesstoffproduktion zu sein.

Die Entwicklung der Vliesstoffe erfolgte durch Dr. A. Schoeler, der 1927 ein erstes Patent für Vliesstoffe anmeldete und en Aufbau der Produktion in Rheder gemeinsam mit Wilhelm Kalff durchführte. Dies geschah unter teilweise schwierigen und primitiven Verhältnissen. Dr. Schoeler hat seine Erinnerungen Jahre später aufgeschrieben. Einige Abschnitte, die die Arbeitsverhältnisse Ende der 20er Jahre beschreiben, sollen hier zitiert werden:

„Der Kalander wurde nun von Wuppertal nach Stotzheim bzw. Rheder in die Fabrik gebracht. Wenn auch hier zunächst noch alles primitiv war, so ließen sich doch jetzt die Versuche viel einfacher durchführen, weil die verschiedenen Vliese schnell zur Hand waren. Obwohl noch keine Rückgewinnungsanlage vorhanden war, auch noch keine Trockenhänge - alles ging zunächst noch mit primitiven Vorrichtungen an der Decke -, so hatten wir doch bald eine Ware in mindestens 30 cm Länge, die an sich in Ordnung war. Bei den Versuchen wurde ich sehr unterstützt von dem leider zu früh verstorbenen Martin Beheng, der sehr gute praktische Ideen hatte. Herr Beheng hat sich mit Liebe der Entwicklung und Ausarbeitung der „Capama-Stoffe“ gewidmet und hat mir viel geholfen. Dies möchte ich hier besonders betonen.

Nun hatten wir verschiedene Stoffe ausgearbeitet. Mit Herrn Kalff zusammen besuchte ich verschiedene Schuhfabriken in Cleve, Wermelskirchen, Frankfurt etc., und wir mußten dann eine Enttäuschung einstecken. Das Material an sich wurde überall gut beurteilt, jedoch lag der Preis zu hoch. Aber auch diese Schwierigkeit wurde überwunden.

Eine Anekdote muß ich hier einfügen: Es war in der Karnevalszeit, als wir einen ersten größeren Auftrag erhielten. Da brach ein Zahnrad an der Maschine. Es wurde zwar sofort repariert, aber darüber wurde es Samstag. Ich war in Wuppertal, und Herr Kalff rief an, die Reparatur sei soweit, und ich solle auf jeden Fall am Montag - Rosenmontag! - zur Stelle sein, um die Fabrikation mit zu überwachen. Meinen etwas skeptischen Einwurf wegen des Rosenmontags lehnte Herr Kalff ab. Es seien vier Leute nüchtern zur Stelle. Ich kam; aber schon im ganzen Ort liefer mir maskierte Leute entgegen, die mich auslachten, weil ich arbeiten wollte. In der Fabrik war als einziger Martin Beheng. Die übrigen drei waren nicht aufzufinden. Herr Kalff war wütend. Es war aber nichts zu machen. In Stotzheim soll man im Karneval keine Fabrikationsversuche machen. Das hatte ich dabei gelernt. Der Auftrag wurde dann am Aschermittwoch doch noch erledigt: Die Ware war in Ordnung!

Es wurden dann schon verschiedene Stoffe hergestellt: Futter und Verstärkungsstoff. Die Sache lief erfolgversprechend weiter; eine richtige Fabrikation kam zustande; trotz vieler Ärger im einzelnen hatten wir doch unsere Freude daran. Herr Bünger bekümmerte sich weiterhin um die Propagierung, da er ja die Schuhfabriken kannte. Mit Herrn Kalff war ich oft sozusagen tagelang am Kalander und bei der Fabrikation, die dann technisch immer weiter verbessert wurde. Im ganzen war es eine schöne Zeit!

Da wir uns damals noch keine Rückgewinnungsanlage anschaffen konnten, wurden die anfallenden Benzindämpfe nach außen übers Feld geblasen. Ein Glück, daß die Fabrik im freien Gelände stand! Die Bauern sagten dann, wenn wir so richtig „im Schwung“ waren: „Der Kalff stinkt wieder abscheulich“. Dies erzählte mir Herr Kalff selbst, und wir beide hatten dann den größten Spaß: denn je mehr es stank, desto besser lief die Fabrikation. Also, es ging vorwärts. Vor dem Krieg waren die Capama-Stoffe schon überall bekannt.“


Im Krieg - am 14. Oktober 1944 - wurde der Betrieb durch alliierte Luftangriffe teilweise zerstört. Hermann-Josef Beheng, Sohn des bereits erwähnten Martin Beheng, kann sich an diese Ereignisse noch lebhaft erinnern und berichtet hierüber:

„Der Angriff auf die Firma Kalff“
Geht weg von Fabriken und Bahnhöfen, das hatte mein Vater beim nächtlichen Abhören des englischen Senders erfahren. Abhören konnte man nur nachts allein, weil die Nazis dies unter schwerer Strafandrohung verboten hatten. Also wußten wir, was uns blühen würde. Aber auch ohne diese Warnung lebten wir auf der Fabrik in unserer Betriebswohnung in ständiger Angst. Dann kam der Tag, den ich nicht mehr vergessen werde. Es war ein Samstag Mitte Oktober 1944. Der Tag war neblig trüb. Rheder war mitunter kaum zu sehen. Nach 10 Uhr morgens gingen die Sirenen. Es waren Bomberverbände über Drahtfunk, von Eupen - Malmedy kommend, für unser Gebiet angesagt worden. Wir hörten das ständige Dröhnen der Bombermotoren und vernahmen auch Bombeneinschläge. Später haben wir erfahren, daß man die Firma Hettner, die Arloffer Thonwerke und Euskirchen wie üblich vor uns bombardiert hatte. Nach 11 Uhr hörte der Motorenlärm der Bomber auf. Wir hatten Ruhe. Trotzdem paßten wir Kinder, meine Schwester und ich, draußen auf, damit Vater und Mutter ihrer Arbeit nachgehen konnten. Im Betrieb war niemand mehr. Es war so gegen 11.30 Uhr mittags; meine Schwester und ich gingen durch die Bleicherei zum Garten hin. Wir sahen, daß in Richtung Kreuzweingarten die Wolkendecke aufgerissen war und blauer Himmel zum Vorschein kam. Genau in diesem Wolkenloch sahen wir einen Bomberverband von Westen kommend in Richtung Norden schwenkend, d.h. er kam auf uns zu. Wir sahen das mit Entsetzen und sagten wie aus einem Munde: „Die werfen hier!“ Wir rannten zurück bis zum Tor der Bleicherei, das zum Hof führte. Wir schrien nach Vater und Mutter, so laut wir konnten. Mutter kam aus dem Haus gerannt und Vater aus dem uns gegenüberliegenden Stall. Beide hatten gerade den Bunker in der Bleicherei erreicht, der übrigens aus rundum aufgestellten Baumwollballen bestand sowie aus zwei Lagen Baumwollballen auf der Betondecke über uns, da schlugen schon die Bomben ein. Um uns herum wackelte und bebte alles. Meine Mutter hatte mich an sich gerissen, bis alles vorüber war. Zögernd gingen wir zum Hoftor. Vor uns im Hof waren hintereinander zwei Bomben eingeschlagen und hatten tiefe Krater hinterlassen. Das Haus stand noch, aber der Stall, in dem mein Vater vor wenigen Minuten noch gewesen war, existierte nicht mehr. Er war einfach weg.

Der Erftmühlenbach lief quer über die Wiese, da sein Lauf von einer der beiden Bomben zugeschüttet worden war. Wir hatten Angst und flohen über die Ränder der aneinanderliegenden Bombentrichter quer durch die Erft Richtung Kreuzweingarten. Vater und meine Schwester gingen später zum Betrieb zurück. Mutter und ich blieben bis abends im Felsenkeller zu Kreuzweingarten. Außer, daß im Hof Bomben gefallen waren, war ein Einschlag dort, wo jetzt das Büro steht. Im Mittelbau, dort standen die Streichmaschinen, brannte es. Zwei Bomben hatten alles zerstört. Im Hof, unterhalb des Kesselhauses, waren noch zwei Einschläge und auf den Wiesen. Das Kesselhaus hatte nichts abbekommen, so daß man später, nach vielen Reparaturen, wieder an eine Aufnahme des Betriebes denken konnte.

Es war aber noch ein Bombeneinschlag besonderer Art zu verzeichnen. Eine 5 Zentner-Bombe flog durch eine offenstehende Dachluke der Bleicherei in einen offenstehenden Wollkocher. Die Bombe explodierte dort, richtete aber keinen Schaden an, weil dieser schon einiges an Druck aushielt. Dieser Kocher stand damals nur wenige Meter neben unserem Wollbunker, welcher uns Schutz bot. Die Erinnerungen liegen weit zurück. Wie eingangs erwähnt, an einem Samstag im Oktober des Kriegsjahres 1944.“


Daß durch den Bombenangriff nicht auch die Mitarbeiter betroffen wurden, ist einem glücklichen Umstand zu verdanken. Zu jener Zeit war der Samstag noch ein normaler Arbeitstag, und zumindest bis mittags lief die Produktion im vollen Umfang, und viele Menschen waren im Betrieb. An diesem Samstag mußte die Produktion wegen eines Luftalarms unterbrochen werden. Nach der Entwarnung wollten die Arbeiter wie üblich die Maschinen wieder einschalten, aber Wilhelm Kalff schickte sie nach Hause, vielleicht weil die verbleibende Zeit nur noch kurz war, vielleicht aber auch aus einer Vorahnung heraus. So wurden viele Mitarbeiter auf ihrem Heimweg Zeugen des Bombenangriffs; die große Katastrophe mit Verletzten und Toten, die bei einem voll arbeitenden Betrieb unvermeidlich gewesen wäre, blieb glücklicherweise aus.

Die Schäden konnten nach dem Krieg zügig beseitigt werden. Schwieriger gestaltete sich zu jener zeit die Rohstoffversorgung. Dr. Schoeler berichtet dazu: „Es war damals selbstverständlich besonders schwierig, weil bei der allgemeinen Rohstoffknappheit immer das eine oder andere Material fehlte. Als der Rohkautschuk (dieser wurde als Bindemittel für die Vliesstoffe benötigt) völlig ausblieb, haben wir an dessen Stelle sogar Kartoffelmehl eingesetzt. Daß die produzierte Ware auch danach war, versteht sich von selbst. Aber was mußte man im Krieg nicht alles in Kauf nehmen!?

Am 15.11.1975 fand das von Dr. Schoeler entwickelte Produktionsverfahren ein sehr trauriges Ende. Durch eine Explosion in der Trocknungskammer wurde die gesamte Produktionsanlage zerstört. Drei Mitarbeiter, Bernhard Paul aus Kreuzweingarten, Karl Pflaum aus Stotzheim und Jakob Schmitz aus Palmersheim wurden hierbei getötet. Die Produktionsanlage wurde nicht wieder aufgebaut; stattdessen wurden andere Vliesstoffproduktionsanlagen mit weiterentwickelten Verfahren ausgebaut.

Nach dem Kriege kam es zu einer stürmischen Weiterentwicklung der Produktionstechnik und der Produktionspalette, Während früher zum Beispiel der Verbandmull in Stücken von 40 m bis 500 m Länge an die Krankenhäuser geliefert wurde, verlangt der Markt heute gebrauchsfertige Produkte wie zum Beispiel speziell geformte Mulltupfer in sterilisierten Einzelpackungen, wie sie für eine bestimmte Operation benötigt werden. Hierdurch ergibt sich eine vielfältige Produktpalette, die unter streng kontrollierten hygienischen Bedingungen hergestellt werden muß. 1987 wurde der Produktionsbereich für Verbandstoffe entsprechend den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes völlig neu gestaltet. Die Produktion erfolgt in einem durch Schleusen abgeschlossenen Raum, der vollklimatisiert ist und dessen Luft ständig mit Keimfiltern gereinigt wird.

Eine ähnliche Entwicklung wie bei den Verbandstoffen ergab sich auch bei den Watte- und Hygieneprodukten. Während früher Watte vornehmlich als Zickzack-Watte hergestellt wurde, verlangt der Markt heute anwendungsgerechte Produkte wie Wattebällchen, Wattepads, Wattestäbchen, Stilleinlagen und Slipeinlagen. Um diese Vielfalt von Produkten konkurrenzfähig herstellen zu können, muß jeweils eine möglichst automatisierte Produktionstechnik installiert werden. So wurde 1988/89 die Watteproduktion von der Fasermischung bis zum Füllen der Beutel vollautomatisiert.

Die Logistik -hierunter versteht man das Steuern der Materialflüsse vom Wareneingang über die Produktion bis zur Warenverteilung- gewinnt immer größere Bedeutung. 1989 wurde ein Hochregallager mit 5.000 Palettenplätzen in Betrieb genommen. Ein EDV-System zur Steuerung aller Betriebsabläufe wird zur Zeit eingeführt.

Von besonderer Bedeutung für jeden Produktionsbetrieb ist die Umweltverträglichkeit. Dies gilt besonders für den historisch gewachsenen Betrieb Kalff in der Ortsrandlage von Rheder. Belästigungen sind hierbei unvermeidbar; es ist jedoch richtig, diese so weit wie möglich zu verringern.


Dampfmaschine während des Abbruchs 1956


Bis 1959 erfolgte die Energieversorgung des Betriebes mit Kohle mit entsprechend sichtbaren und fühlbaren Belästigungen durch Staub und Ruß. Danach erfolgte eine Umstellung auf schweres Heizöl. Die Bedeutung der bei der Verbrennung anfallenden unsichtbaren Gifte wurde erst während der letzten Jahre erkannt. 1991 wird eine weitere Umstellung auf Erdgas / Leichtes Heizöl vorgenommen.

Chlor als Bleichmittel für Baumwolle wurde bereits 1960 verbannt, und es erfolgte eine Umstellung auf das umweltfreundliche Wasserstoffperoxid. 1976 wurde die Kläranlage Rheder, die sich heute bereits als unzureichend zeigt, in Betrieb genommen und die Abwasserentsorgung der Firma Kalff schrittweise hieran angeschlossen. Seit Jahren werden keine verschmutzten Wasser der Firma Kalff ungeklärt in die Erft oder den Erftmühlenbach geleitet. Der Jahresbericht des Erftverbandes 1988 weist für den Erftmühlenbach die Gewässergüteklasse 2 aus; das für den gesamten Erftbereich gesteckte Ziel ist im Bereich von Rheder erreicht.

Ungelöst ist das Problem der verkehrsmäßigen Anbindung des Betriebes an die B 51. Nahezu der gesamte PKW- und LKW-Verkehr rollt durch die Dechant-Wolfgarten-Straße und führt zu einer erheblichen Belästigung und Gefährdung der Anwohner.

Zur Zeit sind bei der Firma Kalff 220 Mitarbeiter beschäftigt. 1989 schloß sich die Firma an eine international tätige Firmengruppe an. Hierdurch wird es möglich, die Marktproduktion in den Bereichen Verbandstoffe, Watte- und Hygieneprodukte, Vliesstoffe und Milchfilter auszubauen und die technologische Entwicklung voranzutreiben. Die Firma Kalff ist damit gut gerüstet, um im europäischen Konzept der 90er Jahre eine bedeutende Rolle zu spielen, und Rheder wird -ausgehend von der Mühlentradition- eine wachsende Bedeutung auch als Industriestandort haben.


Firma Kalff 1989


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