750 Jahre Rheder 1240 - 1990

„Ein Leben im Dienste der Jugend“

Von Adolf Schmitz, Schüler der ehemaligen Volksschule Stotzheim


„Ein Leben im Dienste der Jugend“, so schrieb die Presse am 5.6.1951 anläßlich des vierzigjährigen Dienstjubiläums der Lehrerin Fräulein Christine Weber. Daß sie als Tochter der in Rheder alteingesessenen Familie Weber den Lehrberuf ergriff, war für damalige Verhältnisse eine nicht selbstverständliche Sache und für den kleinen ländlichen Ort Rheder sicherlich eine Besonderheit.


Fräulein Weber mit Schuljahrgang 1914/15


Es wurde in Deutschland doch erst 1893 der erste Gymnasialkurs für Mädchen eingerichtet. Im Jahre 1896 bestanden die ersten 6 Mädchen in Deutschland das Abitur, und erst 1908 fand eine endgültige Reform des Mädchenschulwesens statt, die eine 13-jährige Schulzeit mit Abitur festschrieb.

Die am 22.7.1890 in Rheder geborene Christine Weber begann demnach hinsichtlich der Zulassung frühstmöglich ihre Ausbildung zum Lehrerberuf, denn im Jahre 1911 wurde sie bereits als Lehrerin an der Volksschule in Stotzheim angestellt.

Wer war diese Frau, die Generationen von Schülerinnen und Schülern zum Ziel einer Schulausbildung brachte, die nach ihrem Verständnis sowohl die Vermittlung von Wissen als auch die Charakterbildung der jungen Menschen zum Inhalt hatte?

Zeitlebens ist sie den Weg von ihrem Wohnhaus in Rheder, Dechant-Wolfgarten-Straße, zum Schuldienst nach Stotzheim durch die Erftaue zu Fuß gegangen, und man hat errechnet, daß sie dabei in ihren mehr als 40 Dienstjahren eine Wegstrecke zurückgelegt hat, die einmal um den ganzen Erdball geführt hätte.

Hierzu sei eine Episode erzählt: Es war im Winter 1946/47. Klirrende Kälte und 40 cm hoher Schnee trieb uns Schüler zu Übermut und Unternehmungsdrang. In einmütiger Einigkeit wurde auf dem Schulhof beschlossen, Fräulein Weber, die ja den Weg von Rheder nach Stotzheim in jedem Wetter unverdrossen ging, bei diesen sibirischen Wetterverhältnissen in Rheder abzuholen.

Statt aber den Weg -et Rhederer Strößje- zu nehmen, balancierten wir über die zugefrorene Erft gen Rheder, kamen natürlich mit erheblicher Verspätung dort an und mußten erfahren, daß Fräulein Weber sich zeitig in Rheder auf den Weg gemacht hatte und längst in Stotzheim angekommen sein mußte. Beklommen und schuldbewußt machten wir uns auf den Rückweg zur Stotzheimer Schule. Das zu erwartende Donnerwetter - sowohl von Fräulein Weber als auch vom damaligen Hauptlehrer Potthoff - blieb uns natürlich nicht erspart. Eine solche Selbstherrlichkeit der Schüler war nicht mit der preußischen Akkuratesse und Dienstauffassung der beiden Lehrpersonen zu vereinbaren.

Lediglich einem besonders glücklichen Umstand hatten wir es zu verdanken, daß wir ohne Strafe davonkamen. Bei unserer Exkursion auf der Erft fanden wir einen sicher auf dem Eis zu Sturz gekommenen Fischreiher mit gebrochenem Bein. Diesen auch damals schon seltenen Vogel brachten wir mit, und er kam durch die Vermittlung des Hauptlehrers in tierärztliche Behandlung.

Fazit dieser Geschichte: Auch unser gutgemeintes Vorhaben, Fräulein Weber gegen die Unbill des Winterwetters zu schützen, war nicht dazu angetan, Fräulein Weber von der Geradlinigkeit unabänderlicher Pflichterfüllung abzubringen, zu der wir als Schüler nunmal verpflichtet waren. Eine Lehre fürs Leben; und Fräulein Weber hat wohl zeitlebens dies heranzubildenden jungen Menschen vorbildlich vorgelebt und gelehrt.

Fräulein Weber trat 1953 nach 42 Jahren als Lehrerin in den Ruhestand und verstarb 1966, nachdem sie auch noch mehr als 10 Jahre im Ruhestand den Haushalt ihres verwitweten Schwagers geführt hatte, im Alter von 76 Jahren. Sie ist auf dem Friedhof der Kirchengemeinde Kreuzweingarten-Rheder beerdigt.


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