750 Jahre Rheder 1240 - 1990

Der Verlauf des Römerkanals in Rheder

Von Otto Werner


Die Kölner Dombausage erzählt von einer Wette zwischen dem Teufel und Meister Gerhard, dem Baumeister, der mit dem Bau des Domes begonnen hatte: Der Teufel behauptete, er könne, bevor der Dom fertig sei, einen unterirdischen Bach von Trier quer durch die Eifel bis nach Köln bauen. Da das dem Dombaumeister unausführbar schien, willigte er in die Wette ein. Eines Abends stand er auf dem Gerüst eines der noch unvollendeten Domtürme, als er das Schnattern einer Ente vernahm. Er blickte hinab und sah in unmittelbarer Nähe der Dombauhütte ein Bächlein spurdeln, auf dem eine Ente schwamm. Meister Gerhard erkannte, daß er die Wette mit dem Satan verloren hatte und stürzte sich „von der Höhe des Gerüstes in den Tod“, voll Verzweiflung.

Wie entstehen solche Sagen? Welche Beobachtungen, welche Gedankengänge führen zu ihrer Entstehung? Der gotische Dom, 1248 begonnen, stand jahrhundertelang unvollendet da: der Chor war fertig, den Türmen fehlten die Spitzen, und das Hauptschiff war begonnen. Warum war dieses erhabene Gotteshaus nicht fertig gewordne? Warum ar das einmal begonnene Werk nicht zu Ende gebaut worden? Irgendein außergewöhnliches Ereignis mußte der Grund dafür sein. Und was lag da näher, als den Teufel ins Spiel zu bringen, war es doch ein Dom, ein alle anderen Gebäude der Stadt überragendes Gotteshaus, das da wie ein Mahnzeichen zum Himmel wies. Der plötzliche Tod des Dombaumeisters, der einen Pakt mit dem Satan geschlossen hatte, war eine durchaus plausible Erklärung. Und in einem für das Mittelalter unvorstellbaren Bauwerk war schnell das Gegenstück zum Dom gefunden: die „Düwelskall“ (Teufelsrinne“ konnt nur die Ursache für die verlorene Wette und damit für den Tod des Dombaumeisters sein.

Die „Düwelskall“ ist die volkstümliche Bezeichnung für die römische Wasserleitung, die das römische Köln mit hervorragendem Trinkwasser aus der Eifel versorgte. Zwischen dem „Grünen Pütz“, dem Quellgebiet des „Römerkanals“ zwischen Urft und Nettersheim und der Stadt Köln läßt sich der Verlauf dieser Wasserleitung vielerorts nachweisen. Diese Wasserleitung war, bis auf kleinere Brücken und größere Aquädukte, unterirdisch verlegt worden zu Schutz gegen Verunreinigungen und Zerstörung, aus Gründen der Kühlung im Sommer und als Schutz vor dem Einfrieren im Winter. Eine Sohle aus Stampfbeton bildete das Fundament für die gemauerte Röhre. Der Aufschluß in Kreuzweingarten „Am Römerkanal“ gibt uns ein anschauliches Beispiel für die Bauweise der Wasserleitung. Viele andere Aufschlüsse, vor allem in der Eifel, gaben Zeugnis für die Ingenieurkunst der römischen Baumeister.

Das Interesse an diesem einmaligen Bauwerk ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Ein Beweis dafür ist der im Jahr 1988 eröffnete „Römerkanal - Wanderweg“, dessen letztes Teilstück erst vor wenigen Wochen der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Der „Römerkanal - Wanderweg“ führt auch durch Kreuzweingarten, überquert die Erft, steigt zum „Alten Burgberg“ hinauf, geht weiter zur Hardtburg. Rheder läßt er links liegen - und das, obwohl der Römerkanal nachweis durch Rheder führte - vielleicht auch mit Ursache für eine frühe Ortssiedlung war, die mehr als 1000 Jahre vor der urkundlichen Erwähnung liegen muß.

Es fehlen hier in Rheder vorzeigbare Zeugnisse des Römerkanals, und doch ist es einen Spaziergang wert, den Spuren der Wasserleitung zu folgen. Beginnen wir, nach der Besichtigung des Römerkanals in Kreuzweingarten, bei den Teilstücken hinter den Gärten, indem wir an der Süd-Ost-Ecke des Sportplatzes dem schmalen Pfad nach rechts folgen: die Aufschlüsse sind zunächst links des Pfades, dann rechts, und es ist aufschlußreich, „in die Röhre zu gucken“! Wir machen an Gartenzaun und Gitter kehrt und gehen den Pfad zurück. Hinter dem Sportplatz liegen die Reste des „Heidentempelchens“, vermutlich sind es die Mauerreste eines Hauses, das den Soldaten, die für die Sicherung der Wasserleitung eingesetzt waren, Schutz und Bleibe war. Den Römerkanal selbst sehen wir nicht mehr, aber unübersehbar ist ein Graben, der in fast nördlicher Richtung durch den Wald führt. Der Graben, ein „Ausbruchgraben“, ist entstanden, als im Mittelalter der Römerkanal als „Steinbruch“ für Gebäude diente und die behauenen Steine ein begehrtes Baumaterial darstellten. Auch der Kalksinter, der sich im Laufe von 190 Jahren Wasserdurchfluß am Boden und an den Seitenwänden abgesetzt hatte, war ein sehr begehrter Baustoff. Im unteren, abfallenden Teil des Waldes ist zwar deutlich ein Graben zu erkennen, es ist aber nicht sichergestellt, ob er im Zusammenhang mit dem Römerkanal steht.

Es lohnt sich, bis zum Zaun des Hochwasserbehälters zu gehen und einen Blick Richtung Rheder zu werfen: In Gedanken taucht vor uns ein Aquädukt von Vussem auf. Hat auch hier ein solches Bauwerk den Flußübergang ermöglicht? Das Tal ist hier viel weiter als in Vussem. Oder haben die Römer hier eine andere Technik angewandt, nämlich den Kanal unterirdisch an andere Erftufer geführt? Das große Gefälle, das die Wasserleitung zwischen dem Wald oberhalb von Kreuzweingarten und Stotzheim zu überwinden hatte, das stärkste Gefälle im gesamten Verlauf von fast 100 km überhaupt, hätte den Bau eines „Dükers“, einer Druckleitung, zugelassen. Gefunden wurden weder Pfeilerreste eines Aquäduktes noch Teile einer Druckleitung.

Verfolgen wir also erste einmal den ungefähren Verlauf des Kanals zwischen Wald und Rheder. Links der Bundesstraße fällt ein kleiner Absatz im Gelände auf. Von anderen Stellen, z.B. zwischen Vussem und Eiserfey, kommt einem das schon fast bekannt vor: ob hier nicht auch ein Ausbruchgraben zu vermuten ist? Denken wir uns nun noch die Häuser in Rheder weg, so fällt dieser kleine Geländeabhang parallel zur Bundesstraße auf. Wenn überhaupt, dann muß der Römerkanal hier seinen Weg gehabt haben.

Von unserem Standort am Zaun wenden wir uns nach links. Der Weg fällt leicht ab, und bald schon zweigt rechts ein Feldweg zum „Teufelsgraben“ ab. Hier wurden Reste des Römerkanals gefunden, ebenfalls bei der Verbreiterung der Straße, die von Billig her kommt und unterhalb des Wasserbehälters auf die B 51 stößt. Und im Hang links der Bundesstraße muß der Römerkanal weitergeführt worden sein. Bei Bauarbeiten wurden Reste der Betonsohle gefunden, in einigen Gärten ebenfalls. An der unteren Schäferei war früher ein „Pütz“, ein Schöpfbrunnen. Auch hier sind Reste gefunden worden. Bekannt ist auch die Stelle, die beim Bau und Ausbau der B 51 am nördlichen Ortsende Reste des Römerkanals zum Vorschein brachten.

Bekannt war, daß der Römerkanal in Stotzheim wieder vorhanden war. Es fehlte aber das Verbindungsstück. Durch Zufall stieß Herr Terveer in seinem Garen auf Steinfunde, die dann im jahre 1978 zu Grabungen Anlaß gaben. Und siehe da, man fan den Bogen der Wasserleitung, der die Richtungsänderung zur Erft hin bewerkstelligte. In einem ziemlich engen Bogen erfolgt eine Richtungsänderung von fast 90 Grad. Vollzieht man diese Drehung mit, vor dem Hause Terveer stehend, so läßt sich - in diesem Frühjahr wieder deutlich erkennbar - der geradlinige Verlauf zur Erft hin an der etwas spärlichen Bewachsung des Feldes erkennen. Klaus Grewe schreibt in dem Heft „Der Römerkanal - Wanderweg - Ein archäologischer Wanderführer“ (1988), daß eine 550 lange Brücke dem Römerkanal den Erftübergang ermöglichte.


Kurve des Römerkanals im Garten Terveer (1978)


Viele Fragen sind noch offen, vor allem die, wie die Wasserleitung den großen Höhenunterschied zwischen Kreuzweingarten und Rheder überwunden hat - gab es wirklich eine „Doppelleitung“ und „Tosbecken“, von denen wir in früheren Berichten lesen? Vielleicht gibt es auch in Zukunft für Erforscher des Römerkanals noch lohnende Aufgaben, oder den einen oder anderen Hobby-Archäologen in unserem Dorf, dem es gelingt, ein Stückchen alte Vergangenheit aufzuhellen.


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