Ausgewählte Artikel aus:
650 Jahre Stadt Euskirchen
1302 - 1952
Festschrift zum Stadtjubiläum



Reiner Keller
Bodennutzung und Industrie im Euskirchener Land
(vgl. hierzu Abb. 3)


Es dürfte nicht viele Kreise geben mit derartigen Gegensätzen der Agrar- und Wirtschaftslandschaften wie sie im Kreis Euskirchen vorliegen. Die Landschaftsgliederung des Naturraumes gibt auch die wirtschaftliche Großgliederung mit den Waldlandschaften der Eifel im Süden, der Triaseifel und dem nördlichen Eifelvorland, mit der Börde und dem Braunkohlengebiet im Norden. Die Waldfläche ist in den Gemeinden der Schiefereifel meist größer als die Ackerfläche. Immer ist das der Fall, wenn das Gebiet durch Täler zerschnitten ist. Die steilen Talhänge eignen sich nicht zu Acker- und Wiesenland und der Verwitterungsboden wird bei der großen Geländeneigung in zertalten Gegenden vielfach abgeschwemmt. Nur auf den Hochflächen halten sich die weitverbreiteten Lehmdecken des Schiefer und Grauwackengesteine. Sie werden häufig der landwirtschaftlichen Nutzung trotz der ungünstigen Bodeneigenschaften zugeführt (s. Abb. 3). Nach einigen Jahren der Nutzung müssen dies Böden oft wieder der Verheidung preisgegeben werden (vgl. Abschnitt Waldeifel).

Östlich von Münstereifel und südlich vom Flamersheimer und Rheinbacher Wald treten in Abb. 3 einige auf der Hochfläche liegende Gemeinden als Agrargebiete hervor. Hier gibt es nur wenig Wald, dafür mehr Acker und Grünland. Lehmdecken und stellenweise Löß, dessen Dasein mit der Ablagerung im nahen Eifelvorland zusammenhängt, sind die Ursachen. In diesen Agrargebieten, die eine Seltenheit in der Schiefereifel sind, baut man in erster Linie Hafer, Roggen und Kartoffeln an. Der Weizen nimmt überall weniger als 20 % der Halmfruchtfläche ein.


Die südlichsten Gemeinden des Kreises sind dank ihrer Lage auf der Hochfläche, welche die Erft-Ahrwasserscheide trägt, keine ausgesprochenen Waldlandschaften. Infolge der geringen Reliefenergie auf den Rumpfflächen und der damit zusammenhängenden Lehmdecke sind hier waldreiche Agrargebiete, d.h. die landwirtschaftliche Nutzfläche ist größer als die Waldfläche. Die Ackerfläche allein erreicht allerdings das Waldareal noch nicht. Schönau, Münstereifel, Malberg und andere Gemeinden liegen in zertalten Gebieten der Schiefereifel und gehören infolgedessen den typischen Waldlandschaften an. In der Kalkeifel ändern sich die Verhältnisse merklich. Die Waldfläche wird unbedeutend, der Gersten- und Weizenanbau werden lohnender. Im Kreise Euskirchen gibt es keine typischen Gemeinden der Kalkeifel. Arloff, Iversheim und Eschweiler haben Anteil an verschiedenen Landschaften und sind daher Übergangstypen. Sie gehören mit den Gemeinden des Mechernicher Berglandes zu den waldreichen Agrargebieten (s. Abb. 3). Die wirtschaftliche Sonderstellung des östlichen Sötenicher Kalkgebietes wird schon von A Schüttler (1939) hervorgehoben. Die Dörfer Iversheim, Arloff, Kirspenich, Weingarten an der Erft unterscheiden sich wesentlich von den Dörfern der übrigen Kalkeifel. „Rechts und links des Flusses dehnen sich als breites Band Obstwiesen aus. Hier werden vorwiegend Zwetschen geerntet, die wegen des milden, wind- und frostgeschützten Klimas gut gedeihen. Die Orte sind in einem Hain von Obstgärten eingebettet, ein Bild, das den übrigen Kalkgebieten durchaus fremd ist.“

Außerdem ist der verstärkte Gerstenanbau für dieses Gebiet charakteristisch. Hier und im Wollersheimer Stufenland werden mehr als 15 % der Halmfruchtfläche mit Gerste eingesät. Der Weizen ist im Wollersheimer Stufenland und in der zentralen, teilweise lößbedeckten Antweiler Senke mit 25 - 45 % der Halmfruchtfläche vertreten.


Der Gerstenanbau im Euskirchener Land ist eine Besonderheit. Nirgendwo im Rheinischen Tiefland hat er eine ähnliche Bedeutung wie hier hier. In den Gemeinden des Zülpicher Eifelvorlandes und des kalkreichen Stufenlandes werden überall mehr als 15 % der Halmfruchtfläche mit Gerste bestanden. Dabei geht im Zülpicher Eifelvorland der Roggen- und Haferanbau, der in der Eifel vorherrschend ist, auf weniger als 25 % der Halmfruchtfläche zurück, während der Weizen bis auf 45 % ansteigt.

Das Gebiet des geschlossenen Gerstenanbaus ist im Euskirchener Eifelvorland unterbrochen. Hafer und Roggen nehmen hier schon mehr als 50 % der gesamten Halmfruchtfläche ein. Der Weizenanbau ist gering. Damit gleichen die Anbauverhältnisse des Euskirchener Eifelvorlandes den Agrargebieten der Schiefereifel. Die Ernteerträge liegen hier natürlich infolge besserer klimatischer Bedingungen erheblich günstiger als in der Eifel. Die Verwandtschaft mit der Eifel dürfte zweifellos auf den Eifelschutt zurückzuführen sein, der vom Billiger Horst, vor allem während der Eiszeit, als Solifluktionsschutt in das Euskirchener Eifelvorland herabgeführt wurde. Dieser Eifelschutt hat eine ähnliche Bodenbildung und damit ein ähnliches Anbauverhältnis wie auf den Ackergebieten der nördlichen Schiefereifel zur Folge.

Merkwürdigerweise trifft man östlich des Eifelvorlandes wiederum 3 benachbarte Gemeinden mit stärkerem Gerstenanbau (Niederkastenholz, Flamersheim, Schweinheim). In dieser Gegend wird kein Schieferschutt in das Vorland getragen. Wenn hier Schotter aus der Eifel abgelagert werden, dann sind sie kalkreich, denn dort, wo die Gemeinden an die Eifel angrenzen, streicht die Sötenicher Kalkmulde gegen das Tiefland hin aus. Es ist beachtenswert, daß sich das geschlossene Gebiet des Gerstenanbaus nicht im schuttbedeckten Vorfeld der Schiefereifel, sondern nur in Landschaften der Mechernich-Wollersheimer Voreifel, der Kalkeifel und deren Vorfeld findet. Das hängt mit den Ansprüchen der Gerste an den Boden, der nährstoffreich und gut drainiert sein muß, zusammen. Da bei Schweinheim und Flamersheim die Börde unmittelbar an die Kalkeifel grenzt, erreicht in diesen Gemeinden der Weizenanbau mehr als 45 %. Wäre der Zuckerrübenanbau noch größer als der Kartoffelanbau, dann wären diese Gebiete schon zu den Bördelandschaften zu rechnen.


Die Börde ist gekennzeichnet durch die weiten Ackerflächen, die vor allem dem Weizen- und Zuckerrübenanbau dienen. Mindestens 45 % der Halmfruchtfläche werden vom Weizen eingenommen, während der Roggen nicht einmal ¼ der Halmfruchtfläche bedeckt. Der Zuckerrübenanbau übertrifft in den typischen Lagen der Jülicher Börde die Futterrüben- und Kartoffelfläche. Wald und Grünland sind unbedeutend un nur in den schon beschriebenen Kleinlandschaften zu finden. Auf den besonderen Wert des Grünlandes, das die schweren Lehmböden der Talniederungen einnimmt, wurde schon hingewiesen.

Das für den landwirtschaftlichen Betrieb nicht zu entbehrende Grünland veranlaßte die Bauern zur Siedlung am Rande der Niederung zwischen Ackerflur und den Wiesen und Weiden. Die Gemeindefläche gehört dadurch zwei verschiedenen Landschaftseinheiten an. Das ändert die mittleren Anbauverhältnisse dieser Gemeinden. Es wird infolge des Anteiles an lößfreiem Boden weniger Weizen angebaut, dafür mehr Roggen, Hafer oder Gerste auf den lößärmeren Talhängen. Da kann auch betriebswirtschaftliche Gründe haben, da eine Landwirtschaft mit Grünland selbstverständlich anders arbeitet als ein Betrieb der reinen Bördelandschaft, der sich nur auf Futterpflanzen und landwirtschaftliche Maschinen einstellen muß. So ist es zu verstehen, daß sich die in unserer Karte als „Randgebiet der Börde“ gekennzeichneten Gemeinden abheben von den typischen Bördegemeinden. Die ersteren werden in der Regel durchflossen von Bächen, die die gesamte Gemeindefläche gliedern in ein westliches Bördegebiet, in die Talaue und in ein östliches Bördegebiet. Euskirchen, Frauenberg, Wichterich, Friesheim, Bliesheim u.a. sind hierfür Beispiele.


Besitz- und betriebswirtschaftliche Verhältnisse gliedern außerdem die Erper Lößplatte in einen nördlichen haferreichen und einen südlichen haferarmen Teil. Es fällt auf, daß in fast allen Gemeinden um Lechenich der Haferanbau mehr als 25 % erreicht bei gleichzeitig stärkerem Weizen- und Zuckerrübenanbau.

Die Gliederung der Kulturlandschaften um Euskirchen läßt neben der Großgliederung von der Waldeifel und Kalkeifel über das Triasland und Eifelvorland bis zur Börde hin die feinsten Schattierungen in der Struktur der Landschaft erkenne. Die Landwirtschaft hat sich in die natürliche Abstufung eingepaßt. Trotz aller landwirtschaftlichen Erfahrungen und technischen Fortschritte können die Landschaftsgrenzen nicht verwischt werden. Allenfalls können die Landschaften vom Menschen einen anderen Inhalt bekommen. Auch dafür bietet der Kreis Euskirchen ein hervorragendes Beispiel an seiner äußersten Nordostgrenze.

In den Gemeinden Kierberg und Liblar ist die Gesamtfläche von Wald und landwirtschaftlicher Nutzfläche kleiner als die übrige Fläche. Hier wurden mit dem Horst der Ville die Braunkohlen durch die tektonischen Bewegungen der Erdschollen aus dem Erftgraben an die Oberfläche gehoben und werden im Tagebau abgebaut. Die Tagebauflächen und das Baugelände übertreffen in beiden Gemeinden die landwirtschaftliche Nutzfläche. Damit hat der Kreis Euskirchen noch Anteil an ausgesprochenen Industriegebieten. Von weit her aus der Börde kommen die Arbeiter als Pendler hierher. Die Landschaft wird hier in seltenem Ausmaß verändert. Der Horst der Ville wird gleichsam im Tagebau stückweise abgetragen, und der Niederung wird Land hinzugefügt. Die alte Landschaftsgrenze wird aber auch durch diesen schweren Eingriff der Wirtschaft nicht beseitigt. Am „Erftsprung“ ist dem Tagebau eine Grenze gesetzt. Für den Tiefbau unter der Erft und im Erftgraben sind zurzeit die geeigneten wirtschaftlichen Methoden noch nicht gefunden. Man stellt hierzu großzügige Versuche an. Das zukünftige Tiefbaugebiet im Erftgraben wird bis auf wenige Kilometer an die Stadt Euskirchen heranreichen.



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Edition H.K. September 2002




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