Ausgewählte Artikel aus:
650 Jahre Stadt Euskirchen
1302 - 1952
Festschrift zum Stadtjubiläum



Kurt Böhner, Bonn
Aus der Vor- und Frühgeschichte des Euskirchener Landes



Abb. 4 - Schuhleistenkeil


Der älteste jungsteinzeitliche Fund aus dem Euskirchener Gebiet ist ein sogenannter Schuhleistenkeil (vgl. Abbildung 4). Er soll innerhalb der Stadt selbst gefunden worden sein und befindet sich im Kölner Museum. Dieser „Schuhleistenkeil“ ist ein Steinbeil, welches durch Schleifen hergestellt worden ist und wohl als Hacke oder Furchenzieher benützt wurde. Er ist das typische Ackerbaugerät einer weit verbreiteten bäuerlichen Kultur, welche nach der kennzeichnenden Verzierung ihrer Tongefäße mit Bandmustern als die der „Bandkeramiker“ bezeichnet wird. Im Rheinland haben uns die Ausgrabungen, welche bei Köln-Lindenthal ein ganzes Dorf dieser Bevölkerung aufgedeckt haben 2), einen lebendigen Einblick in ihre Lebensweise gegeben.


Abb. 5 - Fischgrätenbecher

Auch die letzte Ausdeutung dees dortigen Grabungsbefundes durch E. Sangmeister 3) macht es sehr wahrscheinlich, daß die aus dem Gebiet Mährens, Niederösterreichs und Westungarns herkommenden Bandkeramiker Wanderbauern waren, wie es schon die Ausgräber angenommen hatten. Sie errichteten ihre dorfähnlichen Siedlungen aus großen, rechteckigen Häusern, welche bis 35 m in der Länge und 7 m in der Breite messen konnten.


Ergänzungszeichnung - Germanenlanghaus


Nach einer gewissen Zeit - vielleicht einem Jahrzehnt - scheinen sie jedoch ihr Dorfgebiet wieder verlassen zu haben. Sie wurden hierzu wohl durch das Ermatten des Ackerbodens gezwungen, da ihnen eine intensive Düngung noch unbekannt war. Nun siedelten sie sich wohl nicht allzuweit von der alten Wohnstelle wieder an und kehrten dann nach einer bestimmten Zeit zu ihr zurück, um neue Häuser an Stelle der alten zu errichten, von welchen freilich nur noch geringe Reste vorhanden gewesen sein können. Auf diese Weise ist es gut zu erklären, daß sich in Köln-Lindenthal 6 solcher voneinander unabhängiger Siedlungen übereinander finden. Die größte von ihnen umfaßt 21 Häuser. Die „Bandkeramiker“ bauten vor allem Gerste, eine Weizenart (Emmer), Hirse und Lein (wohl als Ölfrucht) an; ihre Viehzucht erstreckte sich auf Rind, Schaf, Ziege, Schwein und Hund. Der Gebrauch des Pfluges ist bei ihnen noch nicht nachgewiesen. Von dem hohen Können der Steinschleifer und Töpfer zeugen die erhaltenen Beile und Gefäße. Die Zeit, in der diese Menschen in unserer Gegend lebten, liegt etwa zwischen 2.500 - 2.000 v. Chr. Geb.

Außer einigen weiteren Steinbeilen aus dem Euskirchener Raum, die nur allgemein darauf hindeuten, daß in der jüngeren Steinzeit Menschen unser Gebiet bewohnt haben, ist aus dem Ende jener Epoche ein sog. „Fischgrätenbecher“ (vgl. Abb. 5) erhalten. Er wurde 1904 in der Kiesgrube am Nordrand des Euskirchener Stadtwaldes gefunden. Die in die Außenwand des Bechers eingefurchten fischgrätenartigen Zonen überziehen das Gefäß wie ein Textilmuster. Solche Becher bilden im westdeutsch-niederländischen Raum eine bekannte Erscheinung. Die Menschen, die sie benützt haben, lebten in den ersten Jahrhunderten des 2. Jahrtausends v. Chr. Sie bestatteten ihre Toten zumeist in Grabhügeln. Im Gegensatz zu den älteren „Bandkeramikern“ scheinen sie sich meist nur kleinerer Häuser bedient zu haben. Die Funde von zahlreichen Tierknochen - u.a. vom Rind, Pferd und Hund - in ihren Siedlungen zeigen an, daß sie Viehzucht trieben. Außerdem haben sie sicherlich auch den Ackerbau in irgendeiner Form gekannt. Besonders elegant sind ihre steinernen Streitäxte geschliffen. Diese rheinische „Becherkultur“ hat zahlreiche Beeinflussungen aus Mitteldeutschland und aus dem Süden und Norden empfangen, doch sind wir über ihre Entstehung noch ziemlich im unklaren. Zum erstenmal wird jetzt in geringem Umfang auch schon Bronze zur Herstellung von Schmuck und Gebrauchsgegenständen benützt. Ob nun unser Euskirchener Becher aus dem Rest einer Siedlung stammt oder ob er einst einem Toten mit ins Grab gegeben worden ist, wissen wir nicht 4).

Von der nachfolgenden Bronzezeit wissen wir im Rheinland noch verhältnismäßig wenig, und auch das Euskirchener Land hat bisher keine Funde aus dieser Epoche ergeben. Dagegen besitzen wir aus der Zeit zwischen etwa 1000 und 800 v. Chr. einige sehr schöne Grabfunde, die am Giersberg im Osten der Stadt ausgegraben worden sind 5). Etwa seit 1200 v. Chr. wurde es in ganz Süd- und Westdeutschland üblich, die Toten zu verbrennen und ihre Asche mit zahlreichen kleinen Trinkbechern und Schalen zusammen in großen Tonurnen beizusetzen. Da wir den Namen des Menschen, die auf den oft ziemlich ausgedehnten Urnenfeldern bestattet sind, nicht kennen, hat man sie als „Urnenfelderleute“ bezeichnet. Ihre Ausbreitung hat offensichtlich vom Donauraum ihren Ausgang genommen und reicht bis weit nach Frankreich hinein. Sie hat sich auch auf den Balkan erstreckt und dort die großen Unruhen erregt, die zum Ende der mykenischen Kultur führten. Diese „Urnenfelderleute“ assimilierten natürlich auf ihren Wanderungen zahlreiche einheimische Elemente, die nun ebenfalls an der Verbreitung der Urnenfelderkultur mitwirkten. In den Rahmen dieser Vorgänge gehören die Gräber vom Giersberg. Neben der mit einer großen Deckschale verschlossenen Ascheurne enthielten sie zahlreiche Gerbrauchsgefäße, die so dünnwandig, glattpoliert und fein mit Ritzmustern verziert sind, daß man sie zu dem Elegantesten rechnen darf, was uns von Keramik aus unserer Vorzeit erhalten ist. Die Gräber dieser Urnenfelderleute liegen überwiegend in gutem Ackerland, was darauf schließen läßt, daß auch sie hauptsächlich Ackerbauern waren.


Die Wallburgen




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