Der Darlehnskassen-Verein Weingarten

Von Hans Regh


Im Jahre 1866 erscheint in Neuwied ein Buch mit dem Titel "Die Darlehnskassen-Vereine als Mittel zur Abhilfe der Noth der ländlichen Bevölkerung sowie auch der städtischen Handwerker und Arbeiter. Praktische Anleitung zur Bildung solcher Vereine, gestützt auf sechszehnjährige Erfahrung, als Gründer derselben". Verfasser ist Friedrich Wilhelm Raiffeisen, geboren in der WesterwaId-Gemeinde Hamm.

Den von ihm 1854 gegründeten "Heddesdorfer Wohltätigkeitsverein" wandelt er 1864 in den "Heddesdorfer Darlehnskassen-Verein" um. Damit entsteht die erste ländliche Kreditgenossenschaft Deutschlands. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1889 tritt "Das Reichsgesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschafts-Genossenschaften " vom 1. Mai 1889 in Kraft.

Am 12. März 1889 wird der " Weingartener Darlehnskassenverein eG" gegründet. An der Gründungsversammlung unter dem Vorsitz des Pastors Benedikt Fischbach 1 nehmen 11 Mitglieder teil. Gewählt werden


a) zu Vorstandsmitgliedern

1. der Ackerer und Gastwirt Friedrich Bohnen (Vorsitzender),
2. der Ackerer Michael Jonas von Weingarten (stellvertretender Vorsitzender),
3. der Gastwirt Heinrich Gilles von Rheder,
4. der Ackerer Josef Frank von Rheder und
5. der Ackerer Jakob Lott von Rheder.

b) als Rechner

der Stellmacher Hubert Emonds von Weingarten

c) zu Mitgliedern des Verwaltungsrates (Aufsichtsrates)

1. Pastor Benedikt Fischbach von Weingarten (Vorsitzender),
2. der Ackerer und Gastwirt Clemens Wolfgarten von Weingarten ( stellvertretender Vorsitzender),
3. der Ackerer und Schmied Bertram Spilles von Weingarten,
4. der Ackerer und Wirt Lambert Spilles von Weingarten,
5. der Ackerer und Polizeidiener Jakob Roggendorf von Weingarten,
6. der Ackerer Johann Straßer von Rheder,
7. der Maurer Thomas Weber von Rheder,
8. der Küster Christoph Klein von Weingarten und
9. der Sattler Bernard Lützeler von Weingarten.

Da nur 11 Personen an der Versammlung teilnehmen, werden einige Posten in Abwesenheit der Gewählten vergeben.

Die Versammlung faßt folgende wichtige Beschlüsse:

a) Der Mindestbetrag für Einlagen wird auf 1 Mark festgesetzt,
b) der Vereinsvorstand wird ermächtigt, als Vereinsdarlehen vorläufig eine Summe bis zu 15000 Mark aufzunehmen,
c) bis auf weiteres wird der Zinssatz für Darlehen auf 5 % festgesetzt,
d) Inhaber von Konten für laufende Rechnungen zahlen 5 % Zinsen und erhalten 3 ½ % für ihre Guthaben,
e) der Verein tritt dem Anwaltschaftsverband in Neuwied bei,
f) die Mitglieder des Vorstandes, des Verwaltungsrates und der Rechner haben über die Verwaltungsgeschäfte absolutes Stillschweigen zu wahren und zahlen ggf. eine Conventionalstrafe von 30 Mark und
g) die Darlehenssumme wird innerhalb von 10 Jahren vorläufig auf höchstens 1 500 Mark festgesetzt.

Die zum 20. Oktober 1889 einberufene Generalversammlung befaßt sich mit den auf Grund des vorgenannten Reichsgesetzes vom 1. Mai 1889 geänderten Statuten. Die Mitgliederzahl beträgt nunmehr 42; anwesend sind 32.


Noch im Jahre 1889 und im folgenden Jahre 1890 weisen die Unterlagen einen umfangreichen Bezug von Waren aus: z. B.

a) Kohlen von der Fa. Jacob Frings, Euskirchen,
b) verschiedene Kohlensorten über die Fa. Raiffeisen & Consorten, Neuwied,
c) Düngemittel über die Fa. Raiffeisen & Consorten, Neuwied und
d) Nußkohle von der Gelsenkirchener Bergwerks AG.

Die Güterwagen werden an den Empfangsbahnhof Euskirchen adressiert und die Kohlen, Düngemittel usw. mit Pferdefuhrwerken nach Rheder und Weingarten befördert. Das ändert sich mit der Inbetriebnahme der Eisenbahnstrecke Euskirchen-Münstereifel am 1. Oktober 1890. Nunmehr werden die Bahnhöfe Arloff und Stotzheim wegen der kürzeren Entfernung zum Empfangsbahnhof für den Weingartener Darlehnskassenverein.


2. November 1890

Die Versammlung setzt die Bezüge des Rechners für die Zeit vom 12. März 1889 bis zum 31.12. 1890 auf 100 Mark fest. Von den 48 Mitgliedern sind 39 anwesend.

11. August 1891

Die Generalversammlung findet in der Gaststätte des Lambert Spilles in Weingarten statt. Von den 53 Mitgliedern sind 24 anwesend. Es finden Neuwahlen zum Vorstand und Aufsichtsrat (Verwaltungsrat) statt.

18. Oktober 1891

Versammlung im Lokal des Friedrich Bohnen in Weingarten und Wahl eines neuen Vorstandsmitglieds nach Vereinsaustritt des Heinrich Gilles aus Rheder.

29. Mai 1892

"Frühjahrs-Generalversammlung" im Lokal des Lambert Spilles in Weingarten.

Einnahmen 1891 25054,80 Mark
Ausgaben 1891 21680,44 Mark
Kassenbestand 1891 3374,36 Mark

16. Oktober 1892

Versammlung im Lokal des Gastwirts Friedrich Bohnen in Weingarten. Anwesend sind 32 Mitglieder.

In den folgenden Jahren sind die Generalversammlungen meistens durch Neuwahlen für den Vorstand und den Aufsichtsrat beim turnusmäßigen Ausscheiden einzelner Mitglieder gekennzeichnet. Der Besuch der Versammlungen ist sehr mäßig; bei einem Mitgliederbestand von etwa 50 Personen ist noch nicht einmal die Hälfte anwesend.

Bei einer Versammlung am 13. August 1895 im Lokal von Clemens Wolfgarten wird an Stelle des bisherigen Vorsitzenden Friedrich Bohnen Heinrich Schlösser als "Vereinsvorsteher" gewählt. Im Jahre 1900 hat der Verein nur noch 36 Mitglieder.

Der Rechner erhält für dieses Jahr eine jährliche Vergütung von 150 Mark.

Vom Jahre 1901 an finden die Versammlungen mit einzelnen Ausnahmen abwechselnd in den Gaststätten Friedrich Bohnen und Lambert Spilles statt. In der Versammlung vom 21. Juli 1907 wird der in Weingarten ansässige Lehrer Heinrich Gebertz in den Vorstand gewählt.

Bei der Generalversammlung am 25. Oktober 1914 wird deutlich gemacht, daß sich durch den Weltkrieg erste Verknappungen an Kohlen bemerkbar machen und der Bezug der begehrten "Höngener-Halbfettkohlen“ schwierig wird. Im Kriegsjahr 1917 ist auch der Handel mit Kunstdünger eingeschränkt; bei der Zuteilung werden die Bezugsmengen von 1913 zugrunde gelegt. Da der Verein vor dem Kriege keine Kalisalze und Thomasschlacke bezogen hat, entfällt jegliche Belieferung mit diesen Düngemitteln. Die Mitgliederzahl ist 1921 wieder auf 51 gestiegen.

Da die Geldentwertung auch den Verein stark getroffen hat, wird bei einer außerordentlichen Generalversammlung am 28. September 1924 über die Auflösung oder den Weiterbestand des Vereins beraten.

Das Protokoll dieser Versammlung ist von niemandem unterzeichnet und daher nicht gültig. Eine erneute außerordentliche Versammlung vom 9. November 1924 beschließt dann mit 18 Stimmen und einer Gegenstimme die Auflösung des Vereins. Zu Liquidatoren werden Lambert Spilles und Hubert Emonds ernannt.

Am 4. Januar 1926 findet die letzte Generalversammlung des Weingartener Darlehnskassen-Vereins e.G.m.u.H. in Liquidation im Lokale des Gastwirts Friedrich Bohnen statt.

Anwesend sind: Friedrich Bohnen, Heinrich Gebertz, Thomas Weber, Hubert Emonds, Anton Strang, Heinrich Klein, Matthias Lützeler, Heinrich Lott, Johann Jakob Gilles und Heinrich Krebs.

Es wird beschlossen, daß nach Bezahlung der Liquidationskosten die Mobilien des Vereins (z. B. der Geldschrank) dem Rechner Hubert Emonds "für seine Mühewaltung in der 36jährigen Amtsthätigkeit" und der Rest des Vereinsvermögens aus dem Erlös der Aktien in der Raiffeisen-Bank Berlin "an die bedürftigen Sparer prozentual verteilt werden " .

Damit ist die segensreiche Tätigkeit des Vereins von 1889 -1926 beendet. Der Stellmacher Hubert Emonds war in der gesamten Zeit ununterbrochen als Rechner tätig. 2


Hubert Emonds, Stellmacher und Rechner des Darlehnskassenvereins Weingarten mit Ehefrau Anna, geb. Nöthen, und Sohn Wilhelm, ca. 1910.

(Beitrag "Eremitage").


Anmerkungen

1) geb. am 12.2.1840 in Düren, Priesterweihe am 1.9. 1867, Vikar in Hergenrath und Korschenbroich, 21.1. 1887 Pfarrverweser in Weingarten, 21.8. 1888 Pfarrer in Weingarten, 20.2. 1897 Pfarrer in Uebach, gest. am 3. März 1898. Pastor Fischbach war ein Spaßmacher; der Schalk saß ihm im Nacken. Überliefert ist folgender Spruch von ihm: "Ich heiße Fischbach, meine Haushälterin Maubach, wir wohnen am Mersbach und ziehen nun nach Uebach."

2) Protokollbücher des " Weingartener Darlehnskassen-Vereins" im Besitz von Wilhelm Emonds jun., Kreuzweingarten


Entnommen: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993


Texte und Veröffentlichungen Kreuzweingartens ©

Zurück zur Indexseite
© Copyright woengede