Das Quellenwunder vom Eschepütz



(Auszug aus "Hier spukt's" Sagen und alte Dorfgeschichten aus den elf Orten der Gemeinde Nettersheim. Gesammelt von Sophie Lange, Nettersheim, 2000, Seite 89)

Vor über tausend Jahren, im Jahre 920, wurden die Gebeine des heiligen Potentinus und seiner Söhne Felicius und Simplitius in einer großen Reliquienprozession von Karden an der Mosel nach Steinfeld gebracht. Die Route führte auch über Nettersheim. Dort machte man Rast wegen der großen sommerlichen Hitze. Die Menschen liefen zusammen, um die Reliquien zu verehren. Man betete und sang. Mönche und Priester sangen das Tedeum. Da geschah in Nettersheim ein Wunder.

Ein alter Mann, der noch dem heidnischen Glauben anhing, kam des Weges, stieß einen Stecken in den Boden und sagte herausfordernd: "Wenn ihr Heiliges traget, dann soll hier eine Quelle entspringen. Alle Durstigen; Menschen und Vieh, sollen trinken!" Da sahen alle, dass - wie durch ein göttliches Wunder - der Boden feucht wurde und bald ein Wassertümpel entstand, so dass alle ihren Durst stillen konnten. Der Stecken aber ward zum Baum. Alle staunten und lobten Gott in seinen Heiligen. Die Quelle hat den Namen Eschepütz. Es ist von der Esche nichts mehr zu sehen, aber die Tatsache des Brunnens und der Esche, die dort gewachsen, war bei unseren alten Vorfahren immer noch lebendig.

Später wurde die Quelle im Volksmund auch Potentinus - Brunnen geheißen. Heute steht an dieser Stelle ein schönes Hubertuskreuz, das die Inschrift Anno 1839 trägt.

Quelle: Friedrich Jakob Schruff: Nettersheim - und wie es geworden, 1969, Manuskript

Das Quellenwunder
Reimkodex von etwa 1500

Bei Nechtersheim kamen sie all;
sie lobten Gott mit groszem Schall.
Jeder sang mit der Stimmen sein:
"Nhun helfft unsz Herr Sant Potentyn."
Auf dem Ort kam ein alter Mann,
da thet das gantze Volk still stahn,
und seinen Stab in die Erdt stach.
Mit heller Stym er rief und sprach:
"Hier ahn soll werden offenbar,
ob disz Gebein sei heilige War'.
Wann auff diesem Ortt ein Brun entspringt,
da disz gantze Volk zumall ausz drinckt."
Sobald er hatt disz Wort gesprochen,
da er seinen Stab hatt gestochen,
da springt ein Brun ausz alzuhandt.
Und ist der Brun sehr woll bekandt
Und wirtt Sant Potentyns Pütz genannt.
Den Eschepütz ihn auch etliche nennen,
derweill sie des Baums Artt erkennen,
da auffgewachsen ist ein Esch
ausz des alten Manns Stab Gerisch.
Dass diese Ding wahrhaftig sein,
Das thuet de Brun und Baum noch Schein.
Die Priester kamen in Kleider schon,
sie laden auff sich den Patron,
Die Schar des Volks war breidt und lang,
man leudete die Glocken,
man laisz (betete, von eleison), man sang.
Die Jufferen kanen auch gegangen,
die darna hatten grosz Verlangen.
Also ist da zu Steinfelt kommen
Sant Potentyn, wie fur vernommen.

Nikola Reinartz: Die Steinfelder Gründungssage von Bonschariant. In: Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde, 1951, Seite 69. (Leicht der heutigen Schreibweise angepasst)



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