Weingarten, 23. März.




Eine erhebende und eindrucksvolle Abschiedsfeier veranstaltete am gestrigen Sonntag die Gemeinde Weingarten ihrem am 1. Januar in den Ruhestand versetzten allverehrten Hauptlehrer, Herrn Heinrich Gebertz, der nahezu 38 Jahre in Kreuz-Weingarten wirke und als Schulmann in weiten Kreisen hochgeschätzt wird. Letzteres bewies am besten der Andrang zum Jugendheim in Weingarten, wo ei Feier um 3.30 Uhr ihren Anfang nahm. Soviel Gäste aus allen Kreisen der Bevölkerung, zum Teil aus der weiteren Umgebung herbeigeeilt, hat das Jugendheim nie gesehen. Neben Eltern, Schülern und Schülerinnen waren ganz besonders die Amtsgenossen des Gefeierten in überaus stattlicher Zahl erschienen. Hier in Weingarten machten sich wieder einmal die Worte wahr, die einst ein hervorragender Pädagoge über das Scheiden eines Lehrers aus seinem Amte schrieb: Wo ein wackerer Lehrer nach längerem, treuen Wirken aus seinem engen Kreise scheidet, da steht das Leben eine Zeitlang still, und Wehmut tönt überall durch jeden Gruß, schmerzlich süß, wie [...]: Bleib bei uns, denn es will Abend werden!“ Diese Worte geben auch am besten den Grundton wieder, auf den die Versammlung mit ihren gut gewählten Darbietungen abgestimmt war.

Wie das gute Einvernehmen von Schule, Kirche und Gemeinde in Weingarten sprichwörtlich geworden ist, so war auch der ganze Verlauf der Festfeier im besonderen die erschienenen Ehrengäste, Herrn Dechant Kaulard, Kirspenich; Herrn Schulrat Keull, Euskirchen; Herrn Bürgermeister Zander, Satzvey und den Vorsitzenden des katholischen Lehrerverbandes Rheinland, Hrn. Lehrer Klein, Köln. Gut vorgetragene Lieder des trefflich geschulten Kirchenchores mit der Jungfrauenkongregation von Weingarten, dirigiert von Herr Lehrer Longerich, Kirspenich, stimmungsvolle Darbietungen des Lehrerquartetts, sowie die vortrefflich gesungenen Lieder von Frl. Schmöle, Euskirchen, trugen nicht wenig zur Hebung der Feststimmung bei.

Sinnvolle Abschiedsgedichte, von Kindern mustergültig vorgetragen, und ein reizendes Märchenspiel ließen auch die Schuljugend zum Gelingen des Festes ihrerseits nicht wenig beitragen, während die Versammlung durch Absingen gemeinsamer Lieder teils ernsten, teils heitern Inhalts in rechte Festesstimmung versetzt wurde. In seiner Begrüßungsansprache hob Herr Pfarrer Reinartz vor allem die vorbildliche Wirksamkeit, die hohe ideale Berufsauffassung, sowie die treu katholische Gesinnung des Gefeierten hervor. Sodann verlas er ein huldvolles Schreiben Sr. Eminenz des Herrn Kardinals und Erzbischofs Dr. Schulte an den aus dem Amte scheidenden Lehrer folgenden Inhalts. Sehr zu verehrender Herr Lehrer, Wie mir mitgeteilt wird, werden Sie jetzt in den Ruhestand treten, nachdem Sie 38 Jahre lang in der dortigen katholischen Volksschule gewirkt haben. Diese Gelegenheit möchte ich nicht vorübergehen lassen, ohne Ihnen von Herzen zu danken für Ihr pflichtgetreues, vorbildliches Wirken als Lehrer und Erzieher der katholischen Jugend, für alle Sorge und Mühe, die Sie inder langjährigen Ausübung Ihres schönen Berufes auf sich genommen haben. Möge das Bewußtsein, allezeit Ihr Amt im Geiste des Glaubens aufgefaßt und ausgeübt zu haben, Ihnen ein erhebender Trost sein in den Tagen der wohlverdienten Ruhe und des Alters, und möge Gottes Gnade Ihnen noch recht viele Jahre schenken, bis Ihnen dereinst für die treue Berufsarbeit hier auf Erden ewiger Lohn und seliger Friede zu teil wird.

Zum Unterpfand dieser meiner oberhirtlichen Wünsche erteile ich Ihnen und Ihren Angehörigen von Herzen den bischöflichen Segen. Tief ergriffen nahm die Versammlung sodann auch Kenntnis von dem Wortlaut des Telegramms, das von höchster kirchlicher Stelle eingegangen war. Der heilige Vater sendet Herrn Gebertz aus Anlaß seines Lehrerjubiläums den erbetenen apostolischen Segen. In beredten und tief zu Herzen gehenden Worten stattete Herr Bürgermeister Zander den Dank des vereinigten Schulverbandes Weingarten, Rheder und Kalkar ab und überreichte als sinnvolles Geschenk der Gemeinde ein von Herrn Siminaroberlehrer Virnich, Euskirchen eigens zu dem Zweck gemaltes, stimmungsvolles Bild von Weingarten. Dieses Bild soll bei dem Gefeierten noch lange die Erinnerung an seine segensreiche Wirksamkeit an all den Stätten, die das Bild ihm vorführt, wachhalten. In warm empfundenen Worten würdigte sodann Herr Schulrat Keull die Verdienste des Herrn Gebertz durch Generationen; er rühmt besonders die hervorragenden Lehrereigenschaften des Gefeierten, der ein wirklicher Meister der Schule gewesen sei und pries Weingarten als Bild der Einmütigkeit; das schönste Geschenk habe der nun in den Ruhestand getretene Lehrer der Gemeinde gemacht, indem er ihr seinen Sohn als Nachfolger schenke. Clemens Gebertz bietet volle Gewähr dafür, daß die gute Lehrertradition der Familie Gebertz auch weiter gepflegt werden.

Herzlich waren vor allem auch die Worte, die der Vorsitzende des katholischen Lehrerverbandes, Herr Lehrer Klein, Köln fand. IN eindringlichen Worten wandte sich Redner vor allem an die Kinder und ermahnte sie, das teure Gut zu schützen und zu bewahren, das die Schule ihnen durch eine gute Lehre und Erziehung übermittelt habe. Redner zollte auch der Familie des Gefeierten, besonders dessen Gattin, verdientes Lob, indem er auf die vorzüglichen Herzenseigenschaften der Lehrersgattin und deren Einfluß auf den Lehrer hinwies. Herr Lehrer Potthoff, Wachendorf machte sich zum Dolmetscher der Gefühle der Liebe und Wertschätzung, die man in Kollegenkreisen dem scheidenden Lehrer entgegenbringt; er wollte begeistertes Lob und heißen Dank dem alten Lehrervater, der sich besonders der jüngeren Kollegen annahm, sie aufmunterte und ihnen sein wohlgemeinter Rat so oft zu teil werden ließ, seinen Beispiele würden sie folgen und wie er, den guten Kampf kämpfen. Ein Bild (Photographie treuer Lehrerfreunde) übermittelte er dem Scheidenden als äußeres Zeichen der Liebe und Verehrung. Auch von den Schülern wurde ein kleines sinniges Geschenk überreicht. Zum Feste hatten ihre Glückwünsche übersandt: P. Augustinus Böhmer, früherer Pfarrer in Weingarten, Pfarrer Dünner, Geheimrat Dr. Wolfgarten aus Düsseldorf, ein Verwandter des Gefeierten und viele andere.

Nachdem so die offizielle Feier ihren erhebenden und harmonischen Verlauf genommen und die vorgerückte Stunde manchen zum Aufbruch mahnte, erhob sich Herr Gebertz um sein Schluß- und Dankeswort zu sprechen. Sichtlich gerührt durch all die zu Herzen gehenden Huldigungen des Abend suchte er seinem Herzen ein wenig Luft zu machen. In der ihm eigenen Art ließ er sein Lehrerleben mit all den schönen und schweren Stunden anschaulich an unserem geistigen Auge vorherziehen. Aus all diesen Worten klang heraus, daß er mit ganzem Herzen gewissenhaft seinem Lehrerberuf anhing und Gott dem Herrn die Ehre gab für die Anerkennung, die ihm zu teil wurde. Seine Hauptaufgabe habe er als Lehrer nicht nur in der Uebermittlung nützlicher Kenntnisse gefunden, sondern vor allem darin, die Kinder zu braven und gut katholischen Menschen zu erziehen. Allein die gut erzogenen Kinder und die treuen biedern Menschen von Weingarten hätten ihn in Weingarten zurückgehalten, trotzdem ihm manche verlockende Stellen angeboten worden seien. Einträchtiges Zusammenwirken mit Kirche und Gemeinde sei das Geheimnis des Erfolges seiner Wirksamkeit. Sein Dank galt allen, die beim Feste mitgewirkt oder herbeigeeilt waren. Auch heute wieder geht der Blick des scheidenden Lehrers wie so oft im Schul- und Lehrerleben zum Kreuze auf der Höhe vor Weingarten. Das Kreuz dort oben, das der wackere Lehrer einst mit seinem Chor ersungen hat, will er der Gemeinde für alle Zeit auch erhalten wissen und schenkt aus diesem Anlaß der Kirche in hochherziger Weise die Parzelle von zwei Morgen, auf der das Kreuz errichtet ist. Dieser Schenkungsakt, der den Dank und Jubel der Versammelten auslöst, zeigt am besten, wie ernst es dem scheidenden Lehrer mit seinem Segenswunsch ist, den er ausklingen läßt in die Worte: Gott segne dich, liebliches Weingarten! Gemeinsame Lieder, Solovorträge und Ansprachen wechselten im zweiten Teil des Abends in zwangloser Folge.

Herr Pfarrer Reinartz dankte in warmen Worten für die freudige Ueberraschung, die Herr Gebertz durch die Schenkung der Gemeinde bewiesen habe. Nunmehr sei das Kreuz, dem das idyllisch gelegene Weingarten seinem Namen verdanke, auf ein festes Fundament gestellt. Herr Konzertsänger Schäfer, der als feinsinniger Tenorsänger auch schon außerhalb Euskirchens rühmlichst bekannt ist, feierte den Scheidenden durch einige mit warmer Begeisterung aufgenommene Liederspenden. Herr Dechant Kaulard aus Kirspenich widmete der Gattin des Herrn Gebertz Worte aufrichtigster Anerkennung. Wenn es im Leben dem Manne nicht an Erfolg gefehlt habe, so sei dies auch ein großes Verdienst der Lehrersfrau. Ihre Liebe und Güte habe sie allerdings nicht allein ihren Familienmitgliedern zugewandt, sie sei die dienende Martha gewesen, die den Gast und Freund - und deren habe das Haus Gebertz viele - allzeit in Liebe aufgenommen haben. Herr Lehrer Langen aus Satzvey überbrachte Grüße und Glückwünsche der Lehrerschaft der Bürgermeisterei Satzvey und feierte den Freund und Kollegen in warmen Worten.

Herr Lehrer Pfeifer - früher in Roitzheim - der infolge eines Autounfalles, den er auf der Reise nach Weingarten erlitt, mit gebrochenem Arme bei der Feier erschien, erzählte mit dem bekannten unverwüstlichen Humor manche Schnurre, die er mit dem Gefeierten erlebt hatte. Herr Fabrikant Becker widmete dem Bakulus (woenge.de: Baculus = Hirtenstab, Stock) in launiger Weise einen warmen Nachruf. Und wenn der Stock auch oft zur Geltung gekommen sei, der Leitspruch des Scheidenden sei doch immer gewesen: „Omnia vincit amor“, „Die Liebe besiegt alles“. Die Schlußworte sprach Herr Pfarrer Reinartz. Er dankte dem Scheidenden nochmals für seine unermüdliche Arbeit im Dienste der Schule, der Kirche und der Gemeinde. Er legte im weitern Verlaufe seiner Worte dar, daß auf dem Grundstück des Hauses Gebertz schon vor 2000 Jahren eine römische Villa gestanden habe. Bei der Ausgrabung des Fundamentes habe man eine wahrscheinlich einem römischen Offizier gehörige Verdienstschnalle gefunden mit der Aufschrift „Numerum omnium“. „Im Namen aller Rangstufen“. Die Tapferkeit des Offiziers sei also von allen, vom Feldherrn bis zum einfachen Soldaten, anerkannt worden. So sei es auch heute bei dem Scheidenden. Wenn auch die Zeit der „Verdienstschnallen“ vorbei sei, das Verdienst des Herrn Gebertz werde von allen mit ungeteiltem Beifall anerkannt.




Entnommen: Euskirchener Volksblatt Nr. 68 vom 23. März 1925




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