Weingartener Passionsspiele


Die Bezeichnung erinnert vielleicht etwas zu kühn an das Oberammergauer Passionsspiel, nicht nur, weil das gewaltige Ausmaß dieser Spiele und das technische Können der Oberammergauer einen Vergleich mit den bescheidenen Weingartener Aufführungen des Houben'schen Passionsspiel nicht zuläßt, sondern vor allem, weil Weingarten die ehrwürdige Tradition Oberammergaus fehlt. Im vorigen Jahre wurde zuerst das Wagnis unternommen und der Erfolg ermunterte zu einer Wiederholung am Passionssonntage der diesjährigen Fastenzeit. Vielleicht bildet sich doch eine Tradition, so daß später einmal mit größerem Rechte vom „Weingartener Passionsspiel“ gesprochen werden kann. Eines hat aber jetzt schon das Weingartener Spiel mit Oberammergau gemeinsam: Die überaus tiefe, nachhaltige Wirkung auf den gläubigen Zuschauer, die das Spiel zu einem religiösen Erlebnis werden läßt, das sich dem Geiste der hl. Fastenzeit nicht nur würdig einordnet, sondern diesen Geist durch das tiefe seelische Miterleben des hl. Leidens geradezu in wirksamster Weise fördert und erhöht. Das ist zunächst das große Verdienst des Autor, der, ohne die Person des göttlichen Erlösers selbst handelnd einzuführen (nur in überaus ergreifenden, künstlerisch gestellten Gruppen lebender Bilder erscheint die Figur des Heilandes, doch das ganze Leiden in dem Spiegelbilde der redenden und handelnden Personen zu greifbarer, erschütternder Anschaulichkeit bringt. Wenn nun bei diesen erhebendsten aller tragischen Bühnenstoffe, dessen schauspielerische Bewältigung eine Vollkommenheitsgrenze nach oben überhaupt nicht kennt, von den Spielern so gefährliche Grenze nach unten nicht überschritten haben, so daß der Zuschauer stets im Banne der heiligen Atmosphäre bleibt, dann ist damit den Spielern ein hohes Lob ausgesprochen und zugleich der kritische Maßstab gezeigt, der bei solchen religiösen Bühnendarbietungen anzulegen ist. Damit erübrigt sich ein kritisches Eingehen auf Einzelheiten. Wer Erbauungs- und Weihestunden sucht, findet sie hier und noch lange weilt der Geist im Bannkreis des Erlebten, wenn schon der ergriffene Zuschauer die weihevolle Stätte verlassen. Ein Gefühl der Dankbarkeit gegenüber den Spielern und dem verdienstvollen Autor, aus dessen fruchtbarer Feder in diesem Jahre das hundertste erfolgreiche Werk für die Vereinsbühne hervorgegangen, läßt den Wunsch aufsteigen, daß Kenntnis und Wertschätzung des Houben'schen Passionsspieles in immer weitere Kreise dringen möge, den Spielern und dem Autor zur Genugtuung, zu Lohn und Ansporn idealen Strebens, vor allem aber den Empfangenden zum seelisch vertieften Erlebnis des hl. Erlöserleidens. - Am Palmsonntag findet eine Wiederholung des Passionsspieles statt. Möchten doch recht viele sich den Segen dieser Weihestunde sichern. Auch wer, wie Einsender, schon wiederholt den Aufführungen beigewohnt, empfindet jedesmal von neuem den unvermindert starken Eindruck.


Entnommen: Euskirchener Volksblatt Nr. 78 vom 3. April 1925



Entnommen: Euskirchener Volksblatt Nr. 73 vom 18. März 1925





Entnommen: Euskirchener Volksblatt Nr. 79 vom 4. April 1925






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