Endlich ist es so weit:
„Verein zum Schutze der Vogelwelt gegründet

Eindrucksvolle Gründungsversammlung - Stadtwald und Kalkarer Moor wieder Gesprächsthema



Euskirchen. - Schon lange wurde der Gedanke erwogen, einen „Verein zum Schutze der Vogelwelt“ zu gründen; aber es war nicht so ganz einfach, dies in die Wirklichkeit umzusetzen. Endlich ergriff Amtsrat Nyncke - bestens unterstützt durch unseren Landrat Metzler - die Initiative und wagte - ungeachtet aller Angriffe und Einwendungen - die Gründungsversammlung einzuberufen. Lange Vorbereitungen waren notwendig, um diese Aktion mit einer gewissen Stoßkraft und Schwung starten zu können. Im Großen und ganzen sind Behörden, Schulen und die Bevölkerung des Kreises Euskirchen besonders gut mit dem Gedanken des Vogelschutzes vertraut gemacht worden, da Amtsrat Nyncke überall durch Vorträge und Filme Aufklärung über seine Pläne und den tieferen Sinn der Sache gab. Besonders seine im Frühjahr durchgeführten Exkursionen erfreuten sich bei alt und jung größter Beliebtheit. Schulen, Vereine und die Bevölkerung nahmen an diesen Vogelwanderungen teil, so daß allmählich der Sinn und Zweck des ganzen Vorhabens jedem klargemacht wurde. Jahrelange Arbeit steckt hinter dieser Vereinsgründung, die in diesem Falle nicht mit den Worten „schon wieder ein Verein mehr“ abgetan werden dürfte. Sicherlich leben wir in einer Zeit der Vereine, aber meistens dienen sie nicht der Allgemeinheit, sondern nur einer Liebhaberei. Der „Verein zum Schutze der Vogelwelt“ ist ein Zusammenschluß aller Tierfreunde, die nicht nur aus Freude an der Vogelwelt sich zusammenfanden, sondern sie schützen und ihr damit ihre Daseinsberechtigung wiedergeben wollen. Industrie, Technik, große Abholzungen und die Unvernunft der Menschen reduzierten die Vogelwelt im Bundesgebiet derart, daß wir von einem Aussterben ruhig sprechen dürfen, wenn nicht Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Der Vogelschutzverein wird nun Hüter der Vogelwelt sein, er wird sich durchsetzen, wenn auch viele die Auffassung vertreten, daß alles vergebliche Mühe sei.

Wie groß das Interesse an der Gründung des Vereins war, belegen am Samstag der volle Saal und die vielen Gäste von nah und fern. Landrat Metzler, der den Gedanken des Vogelschutzes begrüßt und unterstützt, war auch erschienen und überbrachte gleichzeitig die Grüße der Herren des Ehrenvorstandes, die leider nicht kommen konnten, da sie zur Zeit ihren Urlaub verbringen. In Oberinspektor Ackermann entsandte die Stadtverwaltung einen würdigen Vertreter, Polizei-Hauptwachtmeister Friedrichs vertrat Hauptkommissar Kurnoth, Bürgermeister Frings und Dr. Rick, Vorsitzender des Eifelvereins Euskirchen - beide dem Ehrenvorstand angehörend - nahmen ebenfalls an der Versammlung teil.

Amtsrat Nyncke, der unermüdliche Idealist, begrüßte anfangs alle herzlich und dankte für die Unterstützung, die jeder schon durch sein Kommen kundgetan hätte. Er gab in einem Vortrag:

„Das Leben der Vögel im Haushalte der Natur“

einen Einblick in das Leben der Vogelwelt. Von dm Gedanken ausgehend, daß gerade die Vögel mit ihrem bunten Gefieder und ihrem wunderschönen Gesang uns Freude machen müßten, aber die Tatsache, daß diese Freudespender immer mehr und mehr verdrängt würden, nicht übersehen werden dürfte, legte er u. a. dar: es müsse unter allen Umständen ein vernünftiger Vogelschutz einsetzen, der den Vögeln wieder die Ruhe gebe, sie nisten lasse, auf daß sie sich vermehren könnten. Die Industrie und Technik sei auf dem besten Wege, unsere Freunde auszurotten und für immer den Gesang verstummen zu lassen.

Julius Eigner (Münstereifel) zeigte alsdann Farbdias, die mit unendlicher Liebe gemacht worden sind. Gerade Tieraufnahmen in dieser Art sind nicht nur technisch schwer, sondern verlangen eine unsagbare Geduld und Ruhe, die in der heutigen Zeit kaum noch zu finden ist. Julius Eigner machte mit seinen Vogelkindern jedem große Freude.

Nach diesem schönen Streifen erfolgte die Diskussion, die eigentlich zuerst recht unerfreulich verlief und vielleicht auch durch Mißverständnisse hervorgerufen wurde. Landrat Metzler regelte reibungslos wieder einmal die aus dem Geleise gesprungene Unterhaltung und man schritt alsdann beruhigt zur Wahl. Alle Vorgeschlagenen wurden einstimmig gewählt, so daß der Vorstand wie folgt sich zusammensetzt: Erster Vorsitzender Amtsrat Nyncke, zweiter Vorsitzender Robert Pattberg (Kirchheim), Schriftführer Julius Eigner, Kassierer Jos. Dederichs.

Wir wünschen dem neuen Vorstand viel Erfolg!

Der Ehrenvorstand war schon vorher zusammengestellt und setzt sich aus den Herren: Johannes Even, MdB, Richard Fellmann (Landtagsabgeordneter), Rudi Blaß (Mitglied des Landschaftsverbandes), Dr. Heinrich Rütten (Oberkreisdirektor), Schulrat Kempt, Pfarrer Thomas (Liblar), Bürgermeister Blaß, Dr. Hubert Rick (Vorsitzender des Eifelvereins) und den Bürgermeistern der Städte Lechenich, Münstereifel und Zülpich zusammen.

Nachdem nun ein Vorstand ins Leben gerufen ist, kann es mit Mut an die Arbeit gehen. Der Weg wird nicht leicht sein, aber sicherlich werden viele Vogelfreunde den Verein mit allen Kräften unterstützen.

Kalkarer-Moor in Gefahr

Interessant war auf dieser Tagung wieder die Diskussion über das Kalkarer-Moor. Es ist uns allen bekannt, wenn manchmal auch nur dem Namen nach, aber über unsere Kreisgrenzen, ja Bundesgrenzen hinaus kennen die Wissenschaftler das Moor mit seiner seltenen Vegetation. Schon lange geht es um dieses Stückchen Land, ein richtiges Tauziehen versuchte man hier, aber die Bevölkerung hielt das Tau in den Händen. Nun zog man einen Graben, der unweigerlich den Untergang dieses Moors bedeutet, da das Wasser abgezogen wird und die Pflanzen mit einer geringeren Feuchtigkeit keineswegs auskommen können. Wäre dieser Sommer nicht derart naß gewesen, dann hätten wir kein Kalkarer-Moor mehr, dann wäre hier ein verdorrtes Stück Land.

Im Kalkarer-Moor arbeiten zur Zeit Studenten, die hier ihre Arbeiten scheiben und sich dieses Moor dafür aussuchten, da es unzählige Pflanzen aufweist, die wir nirgends sonst finden.

Der Kampf ums Moor wird weitergehen, und zwar mit verschärften Mitteln, da ein großer Teil zum Sprecher aller Naturfreunde wird. Es geht hier tatsächlich darum, ein Stückchen Heimat zu erhalten, die nicht nur als Forschungsgebiet unendlich wertvoll ist, sondern auch den arbeitenden Menschen Ruhe und Erholung bietet. Die neueste Botschaft war, daß man auch hier Pappeln setzen will. Der Kreis Euskirchen ist mit seiner „Verpappelung“ nicht mehr zufrieden.

Besuch im Moor vorgesehen

In den nächsten Tagen werden wir zusammen mit einem Experten ins Kalkarer-Moor wandern, um uns an Ort und Stelle von den augenblicklichen Verhältnissen zu überzeugen. Ein ausführlicher Bericht wird folgen.

Weiterhin kam auch wieder der Stadtwald zur Sprache. Die Vorschläge des Amtsrates sind eigentlich unbesehen verständlich und klar.

Stadtwald als Lehrstätte

Der Stadtwald würde durch die Verwirklichung seiner Ideen nicht nur eine Erholungsstätte, sondern auch eine Lehrstätte werden. Schulrat Klempt begrüßt diese Planung sehr, da hier die Kinder einen Anschauungsunterricht in der Natur hätten, der viel eindrucksvoller und intensiver ist, als ein nüchternes Lernen der verschiedenen Baumarten und Vogelgattungen. Der Stadtwald soll ferner eingezäunt werden, was wiederum von der Polizei begrüßt würde, da in den Abendstunden der Stadtwald ein Gefahrenpunkt ist.

Neue Verhandlungen mit der Stadt

Amtsrat Nyncke wird in nächster Zeit der Stadt Euskirchen nochmals seine Pläne unterbreiten, und er wird sicherlich auch bei unseren Stadtvätern nicht für taube Ohren reden, denn der Stadtwald, wie Schillerpark, sind Sorgenkinder. Vielleicht könnte die Stadt einmal den Versuch machen, sie würde bestimmt staunen, was für Etats auf einmal frei würden, um diese Sache hier zu fördern. Es sind nämlich weit höhere Stellen an diesem Vorhaben interessiert.

Münstereifel marschiert in dieser Beziehung an erster Stelle. Vogelschutzgebiete sind zur Verfügung gestellt worden, so daß von hier aus die erste Hofburg errichtet worden ist. Amtsrat Nyncke wird sich schon in seinen Plänen durchsetzen, da er überall Unterstützung finden wird, denn die Natur ist doch das Schönste, welches uns in unserer gehetzten, so armen Zeit geblieben sit. Wir sollten uns tatsächlich um unsere gefiederten Freunde mehr kümmern, wir würden bestimmt um vieles Erleben reicher.

Dem Verein wünschen wir einen glücklichen Aufstieg zum Wohle der Vogelwelt und zur Freude aller.





Entnommen: Euskirchener Volksblatt Nr. 190 vom 17. August 1954




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