Ein Königinnen-Staat auf der Hardtburg
Wer hat den längsten Rüssel / Etwas von den Hintergründen der Bienenzucht



*) Für den Laien ist die Bienenzucht meistens mit deren Sinnbildlichkeit für arbeitsamen Fleiß und mit der Tatsache ihrer Honigproduktion abgetan. Schließlich ist noch bekannt, daß Bienenzüchterei oft eine recht kostspielige Liebhaberei sein kann und dann ist auch schon das Interesse des Nichtfachmanns erschöpft, der im übrigen den Honig so nimmt wie er kommt und sich auch darüber keine Gedanken macht, daß die Biene noch Lieferant anderer Rohstoffe, Wachs und dergl. ist, die in der Volkswirtschaft eine große Bedeutung haben. Nicht ohne Grund wird heute die Bienenzucht nach Kräften gefördert. Die Bienenzüchter selbst fröhnen nicht nur ihrer Liebhaberei, sie leisten auch oft recht schwierige Arbeit auf dem Gebiete der Volkswirtschaft, wenn sie mit ihren Bienen an der Produktion eines gewissen Anteils der Nahrungs- und Verbrauchsgüter mithelfen. Aber nichts ist so sehr äußeren Einflüssen der Witterung und der Vegetation ausgesetzt, als gerade die Bienenzucht. Die beiden letzten Jahre waren außerordentlich schlechte Bienenjahre. Bereits die Frühjahrstracht war infolge schlechter Blüte, starker Fröste, die die Blüten vorzeitig vernichteten oder anhaltenden Regens, der keinen Ausflug gestattete, so minderwertig, daß schon ein beträchtlicher Teil des Erfolges vorweg genommen war. Es kamen dann noch mancherlei mißliche Umstände hinzu und jetzt stehen die Imker wieder am Ende eines Bienenjahres, das nicht besser war als das vorhergehende. Die Bienenzüchter haben schon seit denkbaren Zeiten darüber nachgedacht, den Honigertrag dadurch zu erhöhen, daß den Bienen neue, bisher nicht aufgeschlossenen Trachtgebiete zugänglich gemacht wurden. Neben der Sorge für die Anzucht einer leistungsfähigen Biene richtet sich das Augenmerk der Imker darauf, Bienen zu züchten, die möglichst viel des dargebotenen Nektars einheimsen und in Honig umformen konnten. Es erwies sich nämlich, daß die blütenden Fluren mehr Nektar boten, als die Bienen heimtragen, oder mit ihren Rüsseln erreichen konnten. Zumal der Rotklee verbirgt seine Pollen so weit hinter tiefen Blütenröhren daß die Bienen sie mit ihren Rüsseln nicht mehr erreichen konnten.

Die Jagd nach dem längsten Rüssel

war mit der Erkenntnis dieses Mangels heraufbeschworen. In den Bienenzüchtereien größeren und kleineren Stils, in den Bienenzuchtlehranstalten bemühte man sich, eine Biene heranzuzüchten, deren Rüssel die nötige Länge hatte, um auch den Rotklee befliegen und davon heimtragen zu können. Es wurden schließlich Rüssellängen von 6,2 von 6,3 und 6,4 Millimeter erreicht. Zu den Rüsselverlängern gehörte auch der Züchter Revierförster Olberg auf Hardtburg bei Euskirchen, der bei einer von ihm herangezüchteten Biene zunächst eine ständige Rüssellänge von 6,4 Millimeter und bei einigen Exemplaren gar eine von 6,6 Millimetern erreichte. Diese Länge reicht hin, um den Nektar aus der Rotkleeblüte ganz den Bienenstöcken zuführen zu können. Mit der bloßen Entdeckung dieser langrüsseligen Biene war die Züchterarbeit noch nicht vollendet. Auch im Reich brachte man der Züchtung großes Interesse entgegen. Gegenwärtig stehen im mauerumwehrten Garten der Hardtburg mehrere Vergleichs-Bienenstände von namhaften Bienenzucht-Versuchsanstalten, deren summende Besatzung nun in Wettbewerb mit den Bienen von der Hardtburg treten soll. Sowohl die Stöcke der einen wie der anderen sind sicher plombiert und die Kontrolle des von den Bienen eingeheimsten Ertrages wird ergeben, wer Sieger geblieben ist.

Hüben und drüben fliegen die Bienen ein und aus. Das Trachtgebiet ist für alle das gleiche. Neben anderen, noch blühenden Pflanzen, die ihnen zur Verfügung stehen, bietet vor allem der Rotklee, der in der Umgebung blüht, seine tiefen Blütenröhren mit süßem Nektar dar und an diesen heranzukommen, bemühen sich alle miteinander. Endgültig erfolgreich können demnach nur diejenigen sein, deren Rüssel lang genug ist, um gewissermaßen den gebotenen Honigbecher bis zur Neige zu kosten. Man sieht es den emsigen Bienchen gar nicht an, daß sie sich an einem so wichtigen Wettbewerb beteiligen. Sie ahnen nichts davon, was die ausgeklügelten Menschen mit ihnen vorhaben und sie tun nur das, was die Natur und ihr Erhaltungstrieb ihnen gebietet. Würde die Nachwiegung des Honigertrages der Bienen ergeben, daß die langrüsseligen der Hardtburg Sieger geblieben sind, wäre noch die weitere Entwicklung der Zucht einer langrüsseligen Biene aus den Zuchtanfängen abzuwarten, das Zuchtrückschläge wie auf allen Gebieten der Biologie zu erwarten sind und eine zeitweilige Veränderung des Zuchtergebnisses herbeiführen können. Die genau beobachteten und durch lange Erfahrungen unterbauten Zuchtmethoden von Förster Olberg lassen aber die Hoffnung zu, daß die langrüsselige Biene nun gefunden ist.

Die Bienenstation auf der Hardtburg widmete sich aber neben dieser Zucht einer besonders trachtfähigen Biene auch dem Aufbau eines Bienenvolkes, das besonders gesunde Erbanlagen besitzt und diese mit hervorragenden Fähigkeiten für Tracht und Weiterzucht auch übertragen kann.

Die Königin des Bienenstaates,

die unbegrenzte Herrscherin in ihrem Reich, wurde zum Objekt besonderer Sorgfalt, auf dessen Heranzucht man besonders große Mühe verwandte. Die Bienenzuchtfachschaften haben sich schon lange darum bemüht, gute Königinnen für ihre Bienenstaaten heranzuzüchten. Dem dienten in erster Linie auch Königinnen-Belegstationen, die innerhalb eines in kilometerweitem Kreise bienenfreien Stande wohnen und dort nur von besonders ausgewählten Vaterbienen belegt werden können. Die hier belegten, hochwertigen Bienen wandern dann als Vererber in die einzelnen Stände und werden zur Grundlage wertvoller und ertragreicher Zuchten. Auf der Hardtburg werden aus den vorhandenen guten Völkern die Bienen ausgewählt, die dann ihr eigenes „Palais“ beziehen, von einem ergebenen Hofstaat umgeben werden, und im übrigen ein recht königliches Dasein führen. In kleinen Zuchtkästen, die mit farbenreichen Zeichen und Symbolen mannigfach bunt bemalt sind, stecken je zwei Versuchsrahmen in die eine auf beiden Seiten als Fassung angebrachte Glasscheibe Einblick gewährt. Das Völkchen ist immer munter um seine Königin, die hoheitsvoll ihren Staat durchkrabbelt. Ihr, die immer ungekrönt war, setzten die Imker mit einem kleinen Stanniolplättchen, dessen Farbe nach den Jahren wechselt, eine Krone ihrer Jahreszugehörigkeit auf den königlichen Rücken. So lebt sie denn dadrinnen, legt Eier in unvorstellbar hoher Zahl und läßt sich von ihren Untertanen pflegen und heben. Der einzige, der störend in ihren Staat einbrechen kann, ist der Imker, der sie wegnimmt und neue Zuchtstämme, neue Völker mit ihr aufbaut. Von der Hardtburg sind aus diesen kleinen und anmutigen „königlichen Palästen“ sehr viele Königinnen ausgezogen, die bei anderen Imkern im Lande neue Völker begründeten und zu deren Stammüttern wurden.


Bienenstände in der blühenden Eifelheide


Der Imker mit einem Volk aus dem „Königinnenpalast“

Fotos: H. Meyer




Entnommen: Euskirchener Volksblatt Nr. 198 vom 26. August 1938




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