Die Eremiten in der Hardt

In den Dörfern rings um den Hardtwald weiß die Ueberlieferung in den alten Familien von Einsiedlern zu erzählen, die im Hardtwalde gehaust haben und schließlich zu einer Landplage geworden sind. Der Vater des Schreibers dieses Rückblickes konnte sich noch erinnern, daß seine Mutter vom „Pater Alamus“ gesprochen habe, der im „Heischen“, d. h. Betteln ein Meister gewesen sei und darin eine Virtuosität erlangt habe, die man mit dem richtigen Namen als „Requirieren“ bezeichnen konnte. Es sei in den Dörfern an der Erft Usus geworden, daß wenn ein Schwein geschlachtet wurde, dem Einsiedelmann zum mindesten ein Vorderschinken geopfert werden mußte. Die Bauern seinen „dem Napoleon“ dankbar gewesen, daß er sie von diesem unverschämten Quälgeist befreit habe.

Wir haben uns Mühe gegeben, diesen mündlichen Ueberlieferungen auf den Grund zu gehen, konnten aber bisher in den Chroniken nichts weiter entdecken als die kurze Bemerkung in v. Strambergs „Kanton Rheinbach“ vom Jahr 1816: „Am Rande des Hardtwaldes, nach Nieder-Castenholz zu, hausten einige Eremiten, denen Kurfürst Clemens August eine stattliche Wohnung erbaut hatte. Sie ist nun abgebrochen und der Garten verkauft“. Die Eremitage am Abhange der Hardt hat auch in der 1934 im Volksblatt erschienenen Heimaterzählung „Der Klostermüller von Stotzheim“ eine wichtige Rolle gespielt, freilich im idealisierten Sinne, der der Phantasie des Feuilletonisten alle Ehre machte, einer kritischen geschichtlichen Untersuchung jedoch nicht standhalten konnte.

Jetzt hat aber der soeben erschienene Eifelkalender 1943 den Schleier gelüftet, der über diesem eigenartigen Sonderkapitel heimischer Geschichte lag. Sanitätsrat Dr. Rud. Creutz (Köln) hat zu diesem im Volksblatt mit Recht anerkennend besprochenen Werkchen einen Beitrag geleistet, der sofort unser besonderes Interesse in Anspruch nahm: „Das Eremitorium „Clemensberg“ im Eifelwalde“. In dieser auf sorgfältigem Quellenstudium aufgebauten Arbeit erfahren wir vieles Neue über die Eremiten in der Hardt. Der Verfasser hat in seiner 1928 erschienenen Gesamtgeschichte des St. Michaelsberges in der Eifel dem Eremiten Franziskus Josephus Nobelohrt, der dort eben von 1712 bis 1714 gehaust hat, einen besonderen Abschnitt gewidmet und dabei das Eremitenwesen der damaligen Zeit eingehend geschildert. Nach einer Feststellung in Heft 74 der Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein konnte die Zahl dieser Einsiedler oder Klausner allein in der Erzdiözese Köln am Ende des 18. Jahrhunderts auf 200 geschätzt werden. Angeregt durch seine damaligen Forschungen im Erzdiözesan-Archiv in Köln hat Dr. Creutz an derselben Quelle das historische Tatsachenmaterial zu seiner Darstellung im Eifelkalender 1943 gewonnen, das durch Aufzeichnungen im Pfarrarchiv von Kreuzweingarten ergänzt wurde.

Im Hardtwalde lag das kurfürstliche Jagdschloß Hardtburg, in dem nach Dr. Creutz besonders der Kurfürst Clemens August I., der von 1727 bis 1761 regierte, gern weilte. In der Nähe erbaute der um das Jahr 1708 in Breust bei Maastricht geborene Joan Knubben, im Volksmund „Knübbe“ genannt, mit gebettelten und geliehenen Geldern einen Wohnsitz der als „Einsiedlerklause“ genehmigt, aber nach dem Urteil der Besucher zu einem schönen Landhause mit nicht minder schöner Kapelle geworden war. Knübbe, gelernter Bierbrauer, wurde mit 20 Jahren diesem Handwerk untreu, wanderte nach Rom und nahm dort das Eremitenkleid. 1731 war er zum zweiten Male in Rom und legte das Eremitengelübde ab. Im selben Jahre erhielt Knübbe von dem Kölner Generalvikar die Erlaubnis zur Erbauung einer Klause auf einem Platz in der Nähe der Burg Ringsheim, den ihm die verwitwete Freifrau von Harff, die damalige Eigentümerin der Burg Ringsheim, geschenkt hatte. In dieser Klause lebte er mit einem andern Eremiten, dem ehemaligen Schuster Hengersbach aus Westfalen, bis zum Jahr 1750 zusammen. Letzterer orderte sich dem herrschsüchtigen Knübbe stets unter, so daß die leidlich miteinander auskamen. Als aber der Sohn der Burgfrau, Freiherr von Harff, Besitzer wurde, der gegen Knübbe eingestellt war, den gutmütigen Hengersbach dagegen protegierte, ließ der Burgherr im Jahre 1751 Knübbe durch den Unterpräfekten des Amtes Tomberg, Pang, mit vierundzwanzigstündiger Frist ausweisen. Knübbe suchte eine vorläufige Zuflucht in Odendorf und rief von dort die Hilfe des ihm vorgesetzten Eremitenkommissars an.

Als solcher fungierte der Pfarrer Zehnpfennig von Sindorf im Kreise Bergheim. Dr. Creutz schildert eingehend die Befugnisse des Kommissars und stellt fest, daß die Akten dessen Persönlichkeit und Amtsführung „in hellstem Licht erstrahlen lassen“. Es blieb nichts anderes übrig, als die Ringsheimer Klause aufzuheben und auf kurkölnischem Gebiet eine andere Möglichkeit zur Erbauung einer solchen zu suchen. Knübbe selbst brachte den Hardtwald in Vorschlag, eine Stelle, die zu der Pfarre Kreuzweingarten gehörte. Der dortige Pfarrer Tillmann Hofschlag, der von 1715 bis 1754 amtierte, habe sein Einverständnis bereits schriftlich erklärt. Daraufhin zögerte Zehnpfennig nicht, das Bittgesuch an den Kurfürsten Clemens August um Ueberstellung eines Platzes warm zu befürworten, und am 27. Juni 1752 wurde durch den Amtsverwalter zur Hardt Johann Tils der Platz „am Ende des Waldes nach Stotzheim zu“ abgesteckt. Diese Ortsangabe steht mit der oben erwähnten Notiz von Stombergs in Widerspruch. De Standort des in den Zeiten nach der französischen Revolution völlig verschwundenen Hauses ist nicht mehr nachweisbar, in den Akten findet sich nur die Feststellung, daß er etwa fünf bis zehn Minuten von der Hardtburg entfernt war. Das trifft aber auch zu auf den von Stramberg bezeichneten Platz „am Rande des Hardtwaldes, nach Nieder-Castenholz zu.“

Knübbe hat in dem schönen Wohnhaus zunächst mit Hengersbach, später mit einem Bruder Augustin Müsch und mit Gereon Kirsch zusammengehaust. Er wußte sich die besondere Gunst des Kurfürsten zu sichern, der ihm gestattete, das Eremitorium „Clemensberg“ zu nennen. Er hat dann aber durch seinen Lebenswandel großes Aergernis gegeben und war ein notorischer Alkoholiker geworden, wußte sich aber auch nach dem Tode seines Gönners, des Kurfürsten, hartnäckig zu behaupten ist erst am 24. Juni 1794 gestorben. In Kreuzweingarten lebt noch die Tradition fort, daß der große Abscheu der Bevölkerung gegen den Eremiten bei dessen Tode zum offenen Ausbruch gekommen sei. Der Bruder Gereon Kirsch, der sich schon l1792 von Knübbe getrennt hatte und 24 Jahre in Rom und in de Schweiz lebte, wurde 1816 von der Sehnsucht nach dem schönen Clemensberg im Hardtwalde heimgetrieben und fand die Stätte, wo das Haus gestanden, nicht mehr.

Der sehr interessante Beitrag zur Heimatkunde unseres Kreises von Dr. Creutz im Eifelkalender 1943 ist mit besonders schönen Bildern geschmückt, die ihn doppelt wertvoll machen. Jedenfalls kann der Heimatforscher dem Eifelkalender für diese schätzenswerte Veröffentlichung dankbar sein.

H. Uthes




Entnommen: Euskirchener Volksblatt vom 20./21. Februar 1941




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