Urfaust in Kreuzweingarten


Kreuzweingarten. 4. Juni. Bereits in unserer letzten Freitagsausgabe berichteten wir über die Aufführung eines von einheimischen Spielern gestalteten Faust-Spiels, das Bernhard Becker bearbeitet hatte. Im Bonner Generalanzeiger lesen wir die nachstehende Würdigung des Spiels, das am Pfingstmontag wiederholt wurde: „Dort, wo in weihnachtlicher Zeit sich das Kreuzweingartener Krippenspiel wundersam begab, wird nun durch das alte Faustspiel an den rechen Lebensweg gemahnt. Wiederum ist Bernhard Becker der Dichter, der hier, altes Volksgut übernehmend und bearbeitend, seinen Kreuzweingartenern ein Spiel zum Selbstspiel gibt, das dem Gemüt und der Seele dienen soll. Aber Bernhard Becker hat nicht nur ein altes Faustbuch ins Sprach- und Bühnengerechte übertragen, er hat auch Szenen und ganze Akte selbst gedichtet. Das geschah nicht nur, um seiner dörflichen Spiel- und Zuschauerschar ureigenen Anteil zu geben, (dazu freilich der Schalk in ihm selbst ihn gerne trieb), sondern um in reinlicher Dichterszene den alten Sagen- und Wirklichkeitsstoff (es gibt ja auch einen geschichtlichen Magier Faust) zu läutern und mit neuem Sinn zu erfüllen. So entstand manche neue Szene und auch der letzte Aufzug, in dem Faust, der, da er die Grenzen nicht achten wollte, die dem Menschen gesetzt sind, sich dem Teufel verschrieb, auf der Flucht vor dem Vertragsgegner eingeholt wird auf dem Kirchhof, wo er der List eines freundlichen Totengräbers erliegt, der der Teufel ist. Noch tritt, da er von keiner Gnade erlöst, zu Hölle gefahren ist, der Nachtwächter als Epilogus auf zum Warnen und zum Mahnen. Die Kreuzweingartener Jugend gab sich auch diesem Spiel mit hingebender Gestaltung hin, sofern die Geschehnisse von ihrem jugendlichen Begreifen erfaßt werden konnten. Aber es gibt in der Kunst ein Ahnen, das nie in solche kommen wird, die nur den Text herzusagen vermögen. Voll eines solchen Ahnens war allerdings der Darsteller, nein, die dreizehnjährige Darstellerin von Faust's Diener Johann, der viel zu klug ist, mit dem Teufel zu praktieren. Welch eine Einfühlung und welch ein Vortrag taten sich hier in einem noch unbewußten künstlerischen Gnadenzustand kund. Musisch geboren ist auch der Lehrer Gasch von Kreuzweingarten. Das bezeugten schon seine Bühnenbilder zum Krippenspiel, und nun erweisen es die zu Faust aufs neue, von denen das Friedhofsbild von besonders starker symbolhafter Wirkung war. So wurde auch dieses Spiel als ein Spiel mit tieferer Bedeutung, wie es vom Dichte geschaut wurde, gestaltet aus volkhaftem Spielinstinkt und sogar ins Künstlerische erhoben.

W.d.“




Entnommen: Euskirchener Volksblatt vom 4. Juni 1936




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