Die Andacht zur Schmerzhaften Mutter in der alten Wallfahrtskirche zum Hl. Kreuz in Kreuzweingarten




In Heft 2 des letzten Jahrgangs der Mitteilungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn findet sich aus der Feder des Pfarrer Corsten, Köln-Raderberg, die für unsere engere Heimat doppelt beachtenswerte Lebensbeschreibung eines verdienstvollen rheinischen Landdechanten aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, mit Namen Eberhard Boßhammer. Geboren 1594 zu Weingarten, ebenda bis 1672 als Pfarrer an St. Lambert in Cuchenheim begraben, hat er nicht nur als Pfarrer, sondern auch als Dechant in der weitausgedehnten Zülpicher Christianität und Archidiakon des Oeslinger Bezirkes jahrzehntelang eine höchst segensreiche Tätigkeit entfaltet, die aufs neue Gustav Freytags Ausspruch in den Bildern aus der deutschen Vergangenheit bewahrheitet, daß unter den Faktoren, die Deutschland nach den ungeheuren Verlusten des dreißigjährigen Krieges vor dem völligen Untergang gerettet haben, die Landgeistlichkeit um die sittliche Hebung des deutschen Volkes sich die größten Verdienste erworben hat.


Dechantsgang mit Marienaltar - Dokumentationsfoto vom 8. Februar 2008

In diesem Zusammenhange soll jedoch nur eines Abschnittes der vielseitigen Tätigkeit Boßhammers gedacht werden, der uns gleichzeitig einen Einblick in die Herzensgesinnung dieses vortrefflichen Priesters tun läßt, dessen Name noch heute in Kreuz-Weingarten im Volke durch den als „Dechantsgang“ bezeichneten, von Dechant Boßhammer bewirkten Anbau des nördlichen Seitenschiffes der Pfarrkirche fortlebt. In einer im Pfarrarchiv aufbewahren Stiftungsurkunde vom Jahre 1666 spricht der Erbauer sich selber über sein Werk aus. In Anbetracht, daß das Fest des Hl. Kreuzes in der Pfarrkirche zu Weingarten unter Anteilnahme des ganzen Landes so feierlich begangen wird, und der Raum für eine solche Volksmenge nicht ausreicht, habe ich die Kirche erweitern und, damit die Andacht zur Schmerzhaften Mutter nicht fehle, dort eine Kapelle mit Altar und allem Zubehör zu Ehren der Schmerzensmutter aufrichten und weihen lassen, weil dem allmächtigen Gott auf der ganzen Welt nichts wohlgefälliger ist als das Andenken an den bittersten Kreuzestod seines vielgeliebten Sohnes und die Betrachtung, Verkündigung und Anrufung des Mitleidens seiner tiefbetrübten Mutter, sowie deren Verehrung mit allen möglichen Mitteln zu fördern. „Und das habe ich getan“, schreibt er als Greis von 72 Jahren auf die wechselvollen Ereignisse seines langen Lebens zurückblickend, „in dankbarer Erinnerung an all die Wohltaten, die ich in diesen stürmischen Zeiten von Jesu, dem Gekreuzigten, u. seiner schmerzhaften jungfräulichen Mutter, die ich mit Recht als die Mutter der schönen Liebe, der Ehrfurcht und der heiligen Hoffnung bekennen muß, empfangen habe, Wohltaten, für welche zu danken, alle Königreiche der Erde, wenn sie in meiner Hand wären, nicht ausreichen würden.“ Und dann sein Werk für alle Zukunft zu sichern, stiftet er an dem neuerrichteten Altar eine reich dotierte Vikarie. Aufgabe des Vikars soll es sein, neben der Wahrnehmung des Gottesdienstes in Billig, wöchentlich zweimal an dem Stiftungsaltar zu zelebrieren, beim Beichthören der Pilger, von deren Menge der Pfarrer fast erdrückt werde, auszuhelfen, und in dem ebenfalls von Boßhammer erbauten Schulhause die Jugend gegen angemessenes Entgelt - die armen Kinder sollten davon befreit sein - außer den anderen Kenntnissen vorzüglich in der Frömmigkeit zu unterrichten. Besonders feierlich sollte das Fest der Schmerzhaften Mutter begangen werden; auch die Pfarrer von Kirspenich und Stotzheim, die mitzelebrierten, erhielten ihre Präsente aus der Stiftung. Zum Schlusse heißt es: „Wer aber böswilliger Weise diese meine fromme Absicht zu vereiteln oder zu verkürzen sich anmaßen würde, oder auch in späteren Jahrhunderten an andere ihm besser erscheinende Zwecke oder Orte übertragen würde, den nenne ich Frevler am Heiligtume; sicher wird er die rächende Hand Gottes erfahren.“


Marienaltar mit Pieta - Dokumentationsfoto vom 4. Juni 2007

Gleichwohl sind die edlen Absichten des Stifters nicht dauernd verwirklicht worden. Es sind zum Teil recht unerquickliche Vorgänge, welche die Akten der Stiftung Boßhammer im Pfarrarchiv, die einen dicken Band füllen, darüber berichten. 1724 ist der Dechantsgang dem Einsturz nahe, der Altar der Schmerzhaften Mutter exekriert. 1774 stehen von demselben nur mehr die Untergemäuer. Mehr als ein halbes Jahrhundert hat die Pfarrkirche Prozeß führen müssen um die Stiftungsmutter wieder in ihren Besitz zu bekommen. Wie die Jahrhunderte alte, seit unvordenklichen Zeiten blühende Wallfahrt zum Hl. Kreuz einging, so schwand auch die vom seligen Dechant Boßhammer eingeführte Feier des Festes der Schmerzensmutter. Näheres darüber man man in der Festschrift zur Namensfeier Kreuz-Weingarten 1927 nachlesen.

Beim Umbau der Pfarrkirche 1922 konnte endlich eine alte Schuld abgetragen, der Altar mit der schönen aus der Zeit des Stifters stammende Pieta wieder aufgerichtet werden. Seitdem findet dann am Feste der Schmerzhaften Mutter in der Passionswoche wieder alljährlich eine besondere Feierlichkeit statt. So ist denn auch in diesem Jahre am Vorabende von 6 Uhr an, wie am andern Morgen Beichtgelegenheit, die hl. Messen sind um ¼ 7 und 8 Uhr, in letzerer Predigt von einem Ordenspriester. Alle Verehrer der Schmerzmutter sind herzlich zur Teilnahme eingeladen. Ist ja die Andacht zur Schmerzhaften Mutter seit den Zeiten der Hussitenkriege, die auch viel rheinisches Blut gekostet haben, unserem Volke unvergeßlich geworden. Damals 1423 wurde ihr Fest zuerst in der Erzdiözese Köln eingeführt, um sich von hier in der ganzen katholischen Kirche zu verbreiten. In den schweren Drangsalen des 30jährigen Krieges und nachher, wo es galt, das deutsche Volk vor völligem Untergang zu bewahren, hat Dechant Boßhammer aus ihr Kraft und Mut zu seinem unvergänglichen segensvollen Wirken geschöpft. Schöneres kann über die Andacht zum Mitleiden der jungfräulichen Gottesmutter wohl kaum gesagt werden, als er in der Stiftungsurkunde zu Weingarten getan hat. Möge denn auch in den stürmischen Zeiten der Gegenwart das Bild der lieben Mutter unter dem Kreuze unserm rheinischen Volke bleiben, ein Mahnbild christlicher Tugend und ein Trostbild christlicher Hoffnung.





Entnommen: Euskirchener Volksblatt vom 9. April 1930




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