Altes und Neues aus der geologischen Erforschung des Grenzgebietes - die Eifel / Niederrheinische Bucht
Von Dr. Eva Paproth, Amt für Bodenforschung, Krefeld




Die malerischen, oft steil aufsteigenden Höhen der inneren Eifel sind berühmt wegen ihrer Schönheit, sie sind das Ziel vieler, oft aus entfernten Gegenden kommender Erholungssuchender. Jedes Wort über die herben Reize dieses abwechslungsreichen Gebirges erübrigt sich, denn ihnen verdankt ja die Eifel ihre immer wieder bewährte Anziehungskraft nicht nur auf den Wanderfreund, sondern auch auf künstlerische und romantische Naturen.

Über diesen für die Eifel charakteristischen Schönheiten wird oft die lieblichere Landschaft des nördlichen Randgebietes fast vergessen. Doch wenden wir uns einmal diesem Randgebiet zu, greifen wir zum Betrachten eine Landschaft heraus, deren Eigenarten dem aufmerksamen Wanderer nicht entgehen werden.

Wenn wir von Euskirchen, der Erft aufwärts folgend, nach Münstereifel wandern, so sehen wir, wie sich vor uns im Westen der Höhenzug des Billigerwaldes, im Osten die Hardt sanft aus der Ebene erheben. Kurz vor dem historisch so interessanten Kreuzweingarten treten wir in diese von OSO nach WNW gestreckte Bergkette ein, welche an dieser Stelle von der Erft durchbrochen worden ist. Wie an einer Pforte öffnet sich uns bei Kreuzweingarten der Blick auf das Gebirge. Jedoch ist hier noch nichts von den charakteristischen Kennzeichen des Eifelgebirges, seinen steilen Höhen, zu sehen; der Südhang des Billigerwaldes verklingt vielmehr wieder in einer breiten, sich von Westen nach Osten erstreckenden Senke. Erst etwa bei Iversheim beginnt der geschlossene Gebirgskörper, in den wir nun, in Richtung Münstereifel, immer weiter hineinschreiten. Münstereifel selbst ist tief in eines der engen Eifeltäler eingebettet, von hohen Bergkuppen umgeben.

Worauf ist diese auffallende landschaftliche Gliederung zurückzuführen? Wo können wir die Ursachen suchen, die den Billigerwald-Zug morphologisch so deutlich von der Eifel getrennt erscheinen lassen? Sind es die verschiedenen petrographischen Eigenschaften der die Berge aufbauenden Gesteine? Legen wir doch im Geiste noch einmal unseren Wanderweg zurück und betrachten wir darauf hin die uns dabei begegnenden Böden und Gesteine.

Zwischen Euskirchen und etwa Billig treffen wir keine „Gesteine“ an die Ebene ist mit fruchtbarem, braunem Lehm bedeckt, aus dem wir jedoch stellenweise ziemlich viele faustgroße, meistens eckige Steine (Lesesteine) auflesen können, vorwiegend fein- bis mittelkörnige nicht sehr harte, innen bräunliche bis olivgrüne, sandige Brocken; an gewissen Stellen finden wir auch einzelne kalkige oder dolomitische graue Steine oder die seltenen, aber auffälligen, kleinen, runden, weißen Quarzkiesel.

Betreten wir bei Kreuzweingarten den Gebirgskörper, so bietet sich uns gerade jetzt eine günstige Gelegenheit, die Schichtenlagerung zu beobachten, hier wurde nämlich in diesem Jahre die Hauptstraße verbreitert, wobei der Osthang der Pfaffenhardt angeschnitten wurde. Wir sehen steil aufgerichtete, meistens olivgrüne, sandige Schiefer und mehrere Bänke quarzitischen Sandgesteins zutage treten. Auch jenseits der Erft, am Hange der Hardt, stehen Gesteine gleichen Types an. Weiter südlich, in Kreuzweingarten selbst, wird westlich der Straße, am Münsterberg, noch einmal gleiches Gestein sichtbar wie dasjenige, welches wir eben am Straßeneinschnitt gesehen hatten. Der südliche Teil des Münsterberges wird aber schon von anderen Gesteinen gebildet, von grauen Kalken; diese sind in früheren Zeiten offenbar abgebaut worden, wie wir aus einer großen Gelände-Delle schließen, in der noch Fels-Brocken als Zeugen aus der Steinbruchsvergangenheit der Delle liegen. Der Kalkstein grenzt auf der Höhe des Münsterberges unmittelbar an die rauhen Schiefer und quarzitischen Sandsteine. Aus anderen Gebieten, z. B. auch vom Südhang der Hardt, ist aber bekannt, daß über den sandigen oder quarzitischen Schichten, den sog. Klerfer Schichten, normalerweise erst ein roter, kalkreicher Sandstein liegt, in dem viele Fossilien oder deren Abdrücke zu finden sind. Dieser Sandstein trägt den Namen „Wetteldorfer Sandstein“. Erst über dem Wetteldorfer Sandstein folgen gewöhnlich fossilreiche Kalke, die „Heisdorfer Schichten“, denen die Kalke auf dem Münsterberge etwa entsprechen dürften.

Die Lagerung der Gesteine auf dem Münsterberg ist also keine normale, sondern sie ist „gestört“, d. h., der Schichtenkomplex ist hier so zerbrochen, daß verschiedenaltrige Schichten nebeneinander liegen. Die Erkentnis, daß hier durch den Münsterberg eine Störung läuft, ist uns sehr wichtig.

Außer den Kalken wurden und werden aber noch andere Gesteine hier am Münsterberge abgebaut, nämlich Kiese und Sand. Der auffallendste Bestandteil der Kiese sind die kleinen, runden „Milch“-Quarze, die wir in der ganzen Gegend als bezeichnenden Bestandteil der Wegeschotter wiedertreffen.

Diese Kiese sind bedeutend jünger als die Klerfer Schichten, die Wetteldorfer Sandstein und die Heisdorfer Schichten, die uns bisher auf unserem Spaziergange begegnet sind. Jene Gesteine wurden in einer Formation des Erdaltertums, dem Devon, gebildet, während die Kiese in der vorletzten Formation können das jugendliche Alter der tertiären Bildung schon an ihrem lockeren Verband erraten.

Neben der Störung erweckt nun auch diese junge Ablagerung am Münsterberge unser besonderes Interesse. - Aber setzen wir unsere Wanderung nach Münstereifel fort. -


Nürburg, Dorf und Berg - Foto: Heinrich Esch, Nürburg

Bei Iversheim nun treten wir endgültig in die Eifel ein. Hier beginnt sich das eigentliche Gebirge zu erheben. Hellgraue Kalke und Dolomite des Devons, die in vielen Steinbrüchen abgebaut werden oder wurden, begegnen uns am westlich der Straße aufsteigenden Hang. Südlich Iversheim sehen wir aber wieder ein Gestein, das uns bekannt ist: sandige Schiefer und in diese eingelagerte, quarzitische Sandsteinbänke, die, ebenso wie dasjenige Gestein, welches wir bei Kreuzweingarten fanden, zu den Klerfer Schichten des Devons gehören. Diese Schichten bauen, neben andren, ihnen ähnlichen, die Berge um Münstereifel auf.


Eifelsommer. Nach einem Gemälde von Albert Larres, Schleiden

Der Unterschied zwischen der Landschaft bei Kreuzweingarten und der Landschaft bei Münstereifel dürfte demzufolge wohl mindestens nicht primär mit Gesteinsunterschieden zusammenhängen. Auch im kleinen fanden wir die Landschaftsformen nicht abhängig von den Gesteinen; erinnern wir uns beispielsweise des Münsterberges, auf dem auch nicht die kleinste Geländewelle den Verlauf der dort von uns gefundenen Störung, also der Grenzfläche zwischen Kalken und quarzitischen Sandsteinen und Schiefern, andeutete. Hier müssen größere tektonische Ereignisse eine Rolle gespielt haben.

Unser Gebiet liegt ja nicht nur landschaftlich, sondern auch tektonisch in einem Grenzgebiet: Im Norden stößt es auf die Niederrheinische Bucht, ein während des Tertiärs eingebrochenes Becken, das sich auch heute noch in Bewegung befindet. Zwischen den einzelnen Absink-Perioden sammelten sich viele hundert Meter Sediment hier an, so auch die uns jetzt als Braunkohlenflöze so nützlichen Ablagerungen. - Südlich unserer Gegend liegt dagegen ein Gebiet, das sich - und zwar ebenfalls während des Tertiärs - als Ganzes gehoben hat: die Eifel; nur dieser tertiären Hebung verdankt sie ihr kräftiges Relief. Die eigentliche Auffaltung, die Gebirgsbildung, hatte bereits im Erdaltertum stattgefunden, und das Gebirge war in dem langen Zeitraum bis zum Tertiär schon sehr abgetragen worden. Erst die neue Gesamthebung belebte die erodierenden Kräfte so, daß die Bäche und Flüsse sich tief in den Gebirgskörper einsägen konnten. - Wie leicht ist es möglich, daß die Landschaft zwischen Euskirchen und Münstereifel, die ja im Norden und Süden an so gewaltige Komplexe grenzt, von größeren tektonischen Störungen geprägt wurde. Eine Störung war uns ja am Münsterberg begegnet; kehren wir also dorthin zurück und betrachten wir die Gegend westlich Kreuzweingarten.

In der sich in WNW-OSO-licher Richtung erstreckenden Senke bei Antweiler/Satzvey finden wir nun ganz andere Sedimente als diejenigen, welche den Billigerwald und das südwestlich der Linie Iversheim/Satzvey aufsteigende Gebirge aufbauen. Fanden wir hier harte, sandige oder quarzitische Gesteine, so stehen in der Senke Tone, Quarzsande und die uns schon vom Münsterberge her bekannten Schotter mit Milchquarz-Geröllen an. Wir können sie gut in den Tagebauen beobachten, die uns bei Antweiler, Burg Zievel und Satzvey den Blick in den Untergrund ermöglichen. Unser besonderes Interesse verdient der Tagebau östlich der Burg Zievel, denn er ist es, der am klarsten die Umstände zeigt, die unser Gebiet prägten.

Obgleich die Grube am Südhang des Billigerwaldes nicht sehr nahe liegt, beobachten wir an ihrem Nordhang eine bis zu 15 dicke Decke von mit quarzitischen Sandsteinen völlig durchsetztem Lehm; hier hat sich also der von der Höhe des Billigerwaldes abgetragene Schutt in großer Mächtigkeit angesammelt. Unter dem Schutt liegen dunkle, sehr reine Tone, die abgebaut werden. Die Tonschichten liegen nicht horizontal, wie sie ursprünglich bei ihrer Ablagerung jedoch gelegen haben müssen, sondern sie sind nach Norden, zum Billigerwald hin, geneigt; das sehen wir an helleren und dunkleren Bändern im Ton und an der Grenze des Tones zu dem unter ihm liegenden weißen, reinen Quarzsand.

Die Gesteine des Billigerwaldes, devonische Schiefer und quarzitische Sandsteine, sind also nicht mehr unmittelbar mit den annähernd gleichaltrigen Ablagerungen verbunden, die südwestlich der Linie Iversheim/Satzvey anstehen. Die Grenze zwischen dem Billigerwald-Komplex und den tertiären Ablagerungen um Antweiler ist keine normale, sondern sie ist gestört. Der Billigerwald ist - relativ zu den ihn umgebenden Komlexen - emporgehoben worden, die Antweiler Senke ist dagegen - relativ - eingesunken. Man nennt die technische Senke um Antweiler den Antweiler Graben oder Halbgraben.

Der Antweiler Graben brach nicht plötzlich und mit einem Ruck in seine heutige Lage ein, sondern senkte sich in mehreren zeitlich recht weit voneinander getrennten Phasen ein. Dieser tektonische Vorgang ist offenbar auch heute noch nicht endgültig abgeschlossen, denn erst vor wenigen Jahren erlebte diese Gegend ein verhältnismäßig starkes Erdbeben.

Durch neuere Untersuchungen ist erwiesen, daß sich schon in den älteren Abschnitten der Tertiär-Zeit, dem Paleozän und Eozän, in dem Graben Moore bildeten. Später, im Oligozän, lagerten sich die Quarzsande, die Tone und die Kiese hier ab, die als Fluß- oder See-Ablagerungen zu denken sind. Wie schon erwähnt, schichteten sich diese Sedimente mehr oder weniger horizontal aufeinander; daß sie heute nicht mehr horizontal liegen, deutet auf weitere, jüngere tektonische Bewegungen.

Nun bleibt uns nur noch übrig, die sanfteren Formen des Billigerwaldes im Gegensatz zu dem schrofferen Eifel-Relief zu erklären. Wir haben in der Grube Zievel eine sehr mächtige Schuttdecke über den Tonen liegen sehen. Es ist dieser mächtige Schutt, der den Billigerwald förmlich einhüllt und so schroffe Formen unmöglich sein läßt. Unser heutige Klima läßt es aber nicht zu derartigen Schuttanreichungen kommen, das können wir in jedem Mittelgebirge beobachten. Der Schutt hier ist also ebenfalls alt, er wurde in einer Zeit extrem starker Abtragung gebildet, in der Eiszeit.

Der Nordhang des Billigerwaldes senkt sich, ebenfalls von einer mächtigen, während der Eiszeit gebildeten Schutthülle bedeckt, unter die jungen Sedimente der Niederrheinischen Bucht.

Wir sehen also, daß die heutige Landschaft des nördlichen Randgebietes der Eifel in dieser Region stark von deren geologischer Geschichte geprägt ist; auf einer Wanderung von Euskirchen nach Münstereifel können wir die letzten dramatischen geologischen Ereignisse dieser schönen und interessanten Gegend rekapitulieren: Euskirchen liegt in der mit Sedimenten aus und nach der Eiszeit gefüllten Niederrheinischen Bucht. Der Billigerwald ist in eine dicke Decke seines eigenen, während der Eiszeit gebildeten Schuttes eingehüllt. Die Antweiler Senke ist in der Eiszeit vorausgehenden Tertiär-Zeit eingesunken und hat sich noch im gleichen geologischen Zeitabschnitt mit den wirtschaftlich so wertvollen Tonen, Sanden und Kiesen gefüllt. Die im Erdaltertum abgesetzten und gefalteten Schichten der Eifel selbst verdanken ihr so kräftiges Relief einer Gesamthebung während des Tertiärs.

Wie doch wohl alle Grenzgebiete, so ist auch dieses in vieler Hinsicht besonders interessant und aufschlußreich.


Landschaft bei Oberbettingen


Quelle: Artikelsammlung Pfarrer Andreas Pohl, Abenden/Blens
[Wahrscheinlich]: Die Eifel, Monatsschrift des Eifelvereins, Februar 1954, S. 114-115, 47. Jahrg./Nr. 2
Sammlung Marliese Wintz, Kreuzau, Sammlung wingarden.de, H. Klein




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