Laien- und Freilichtspiele in der Eifel.
Von M. v. Mallinckrodt.




Am Anfang aller Theaterkunst steht das Laienspiel. Aus kultischen Feiern des Volkes entwickelte sich die hohe tragische Kunst der Griechen, und auch die ersten Anfänge dramatischer Spiele in unserem Vaterlande ruhten in Laienhänden und blieben in ihnen viele Jahrhunderte hindurch. Mochten nun Spiele wie die der gelehrten Nonne Roswitha von Gandersheim nur für Klosterinsassen bestimmt gewesen sein und deshalb ihre Stätte im Frieden der Klöster selbst gefunden haben, oder mochten wandernde Studenten und Kleriker sich an eine größere Zuschauermenge gewandt und ihre Bretterbühne auf den Marktplätzen der Städte oder in geräumigen Vorhallen großer Kirchen aufgeschlagen haben. Diese Darbietungen beschränkten sich meist auf Krippen- oder Osterspiele, aber sie begaben sich zuweilen, so zum Beispiel mit der Theophilus-Legende, einer Vorläuferin der Faustsagen, auch bereits auf kühnere Gedankenwege.

Auch der Freude am Derbkomischen kamen die Laienspiele gern entgegen, so daß sich aus ihnen die beliebten Fastnachtsspiele des ausgehenden Mittelalters entwickeln konnten, deren Spieler meist Handwerker waren.

Es dauerte lange, bis sich ein Berufsschauspielertum, das im Anfang aus durchaus ein wanderndes war, herausbilden konnte. Dann aber begann dieses seinen Siegeszug. Der Geschmack im Anschluß an den der Fürstenhöfe wandte sich vom volkstümlich Derben bewußt ab und der feinen Komödie oder Tragödie, dem Singspiel oder der Oper zu. Diese Entwicklung führte zwar das Berufsschauspieler- und Sängertum zu höchsten Ehren, verurteilte aber das Laienspiel dazu, eine mißachtete kleine Pflanze zu bleiben, ein Geschehen ohne künstlerische Absicht und nennenswerte künstlerische Leistung, ein Vergnügen für Anspruchslose. So ist die Bühnenkunst eine Angelegenheit wohlhabender städtischer Kreise geworden und lange Zeit hindurch geblieben.

Erst in jüngerer Zeit besann man sich hin und wieder darauf, daß dem Laienspiel ein besseres Recht gebühre, und daß gerade das Laienspiel dazu bestimmt sein könne, das Verständnis für dramatische Kunst auch in Volkskreise zu tragen, denen es bisher schon aus rein örtlichen Gründen versagt war, Werke der Bühnenkunst mit zu erleben.

Auch in unserer Eifelheimat fanden sich Männer, deren Geschmack sich mit den dörflichen Liebhaber-Vorstellungen, die sich meist auf ziemlich gröbliche Possen oder auf gut gemeinte, aber sehr unvollkommene Stücke religiösen Inhaltes beschränkten, nicht mehr zufrieden gab. Aber nicht nur aburteilen wollten diese Männer, sie gingen vielmehr erfreulicherweise daran, etwas Besseres ins Leben zu rufen. So entstand - vielleicht in mehr Dorfgemeinden, als man ahnt - die Freude am künstlerischen Laienspiel wieder. Und wenn die Bühne in Saal oder Jugendheim auch eng und klein war, mit gutem Willen ließ sich auch auf ihr spielen.

Gewiß, nicht immer stand den Spielfreudigen etwas wirklich Wertvolles zu Gebot, was man spielen konnte; es war nicht jeder Gemeinde, wie der von Kreuzweingarten, beschieden, daß ein Gemeindeglied, Tuchfabrikant Bernhard Becker, ihr ein wunderbar feines Krippenspiel dichtete, in dem das heilige Geschehen der Christnacht im rührend kindlichen Stil der alten Maler in die Heimatflur verlegt wurde. Es wird überhaupt nur selten der Fall gewesen sein, daß Spiele entstanden, die eigens für eine Kleinbühne geschrieben, sich ihren Verhältnissen anzupassen vermochten.

Die künstlerisch empfindenden Pfarrherrn und Lehrer, denn sie waren fast überall die Erwecker der Spielfreude, gingen aber hier und da noch einen wichtigen Schritt weiter. Sie wagten es, das Laienspiel ins Freie zu verlegen und auf diese Weise ihm zunächst eine ebenso große Zuhörerschaft zu sichern, als wenn ihm das größte Theater zur Verfügung gestanden hätte. Dann aber gaben sie durch das Freilichtspiel dem dramatischen Geschehen auch die Ausdehnungsmöglichkeit, die notwendig war, um Dichtungen, die nicht für beschränkte Raumverhältnisse geschrieben waren, recht zur Geltung zu bringen.


Tellspiel in Kronenburg (Kreis Schleiden). Pfarrer Windelschmidt †.

So entstanden in bedrängter Zeit, im Jahre 1921, als erste Freilichtspiele der Eifel die viel besuchten und besprochenen Tell-Aufführungen von Kronenburg. Im Oberdorf, vor den Resten der alten Dynastenburg, bot sich eine glücklich gewählte Stätte den Spielern dar, eine Stätte, auf der die umherpickenden Hühner neben Schillers Versen ihren Platz behaupteten. Pfarrer Windelschmidt hatte es verstanden, ein lebendig bewegtes Spiel zu schaffen, in dem die Natur zu ihrem vollen Recht kam und das auch dem unsterblichen Werke des Dichters gerecht wurde.

Im darauffolgenden Jahre erwuchs dem spielfreudigen Kronenburg ein Mitbewerber in der Gemeinde Malberg bei Kyllburg, wo dicht am Felsenufer der Kyll inmitten schöner Baumgruppen ebenfalls der Telldichtung ein wundervoller Rahmen entstand. Man hat es damals bedauert, daß nicht ein andres unserer klassischen Dramen in Malberg zu Wahl kam, aber die Eignung des Tell für eine Naturbühne ist eben sehr viel größer, als die irgend eines anderen Dramas unserer großen Meister.

Neben Tell aber fand sich bald ein anderes Drama ein, das sich gut für die Naturbühne eignete: Es war Elmar, eine dramatische Bearbeitung der besonders in katholischen Volkskreisen vielgelesenen Dichtung „Dreizehnlinden“ von Weber. In Niederöfflingen und Idesheim bei Bitburg wurde es gespielt und später auch in Gerolstein auf der Naturbühne hinter der Munterley.

Doch auch andere Aufführungen wurden gewagt unter Hinzuziehung einzelner Berufskünstler. So beschloß man im Burghof der Neuerburg einen Reigen klassischer Dramen zu spielen und ihn mit Grillparzers Sappho zu eröffnen. In Wittlich aber erreichte man eine hochstehende Aufführung des Sommernachtstraums mit der Musik Mendelsohns auf der dortigen Freilichtbühne.

Auch in Zülpich, am Fuße der Eifel, wurde zur Jahrtausendfeier eine Dichtung Th. Seidenfadens, „Der Burgvogt von Zülpich“ aufgeführt, eine dramatische Handlung aus der Zeit, als das altertümliche Städtchen im Dreißigjährigen Kriege von den wilden Söldnern des hessischen Obersten Rabenhaupt gestürmt wurde.

Man darf also sagen, daß in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehntes die Freilicht-Laienspiele in der Eifel freudig emporwuchsen. Ein gerechter Lohn aber für den Eifer der Leiter und der Spieler war es, daß die Schaulustigen zu Tausenden und von weither kamen, um die Freilichtspiele zu besuchen.

Aber auch im vergangenen Jahre noch lebte das Freilichtspiel in der Eifel in verschiedenen sehr fesselnden Formen. Ich nenne das Thingspiel von Kommern, das Münstereifler Rathausspiel und endlich das Genovevaspiel in Mayen.

Das Thingspiel von Kommern, früher schon in Jülich aufgeführt, unterscheidet sich von allen anderen Freilichtspielen der Eifel durch seinen betont nationalistisch völkischen Geist. Chorisches Weihespiel nennt es sich und führt den Titel „Saat und Ernte“. Ein Kölner, Karl Kurz, hat es geschrieben und Helmuth Rosenka die begleitende Musik geschaffen.


Tellspiel in Malberg an der Kyll (Kreis Bitburg). Seiwert, Bitburg.

Der Dichter greift hinein in die deutsche Welt von einst, in der ein schier unüberbrückbarer Gegensatz zwischen dem von den Städtern mißachteten, ja in Zeiten der Nahrungsnot geradezu gehaßten Bauern und dem von der Natur losgelösten Städter klaffte. Er stellt dem Nahrung schaffenden Bauern den Werkzeug schaffenden Arbeiter gegenüber. Beide behaupten ihr Vorrecht. Die Bergleute aber, die anders zwar als der Bauer, aber nicht minder als er erdverbunden sind, wollen zwischen hüben und drüben vermitteln. Fragen aus dem Kreise der Zuschauer vertreten den Standpunkt des gleichgültigen Intellektuellen, dem der ganze Streit zweck- und sinnlos erscheint. Dann treten wieder Arbeiter auf, die marxistische Grundsätze vortragen, aber ihre Abkehr von aller Erdverbundenheit wird dennoch durchbrochen durch die Sehnsucht nach einer früheren Zeit, die ein Leben am Herzen der Erde auch für sie kannte. Die Bauern schicken sich an zum Sonnwendfest, die städtischen Arbeiter sehen ihrer Freude zu und Verständnis keimt in ihren Herzen auf. Aber wiederum tragen Arbeitslose neuen Streit in die beginnende Versöhnung, und wieder sind es die Bergknappen, die daran mahnen, daß sie alle Kinder der einen großen Mutter Deutschland sind. Im Gedanken an die gemeinsame Heimat aber findet sich alles vereint.

Das eindrucksvolle Spiel konnte hier nur kurz umrissen werden. Sein Wesen ist der Wille, den Geist des Dritten Reiches zu feiern, der keine Trennung der Stände, keine Mißachtung anderer Berufe mehr kennt und duldet, der alles echt Deutsche in Stadt und Land zusammenfassen will zu gemeinsamem Dienst am Vaterlande.

Wenn das Thingspiel von Kommern tief hineingreift in die Fragen des Heute, so führt uns das Rathausspiel von Münstereifel in die Welt vergangener Tage zurück.

Es läßt sich kaum eine eigenartigere Spielstätte für ein Spiel aus alten Tagen denken, als der Platz vor dem wiederhergestellten alten Rathause in Münstereifel. Wie der Efeu die alten Stadtmauern mit dunkelgrünem Mantel umsponnen hat, so webt vergangenes, längst verrauschtes Leben geheimnis vollen Zauber allüberall um Tore und Türme, um Mauern und Giebel, um Gassen und Gärten der alten Stadt. Aber die Stätte vor dem Rathause mit seiner Bogenhalle, umgeben von malerischen alten Bürgerhäusern, atmet vor allem den Geist der Vorzeit, den Dr. Heinens Rathausspiel beschwören will.

Auf der Bühne erscheinen zwei Münstereifeler Postillone des 17. Jahrhunderts und rufen auf Gottes Geheiß längst verstorbene Bewohner der Stadt mit ihren Posaunenklängen zurück ins Leben.

Da kommen im ersten Bilde fromme mittelalterliche Mönche ins „Peterstal“, die Gründer des monasterium Eifliae, begleitet von Bauern, die bis zu jener Zeit die einzigen weit verstreut wohnenden Siedler dort waren, wo im lieblichen Erfttale sich dann das Tochterkloster der berühmten Abtei Prüm erheben sollte.

Im zweiten Bilde aber, in der „Sauhatz“ wird schon die eigentliche mittelalterliche Stadtzeit lebendig. Sauen sind in den Mauerring gelangt, man hat sie eingesperrt, und jung und alt eilt herbei, um mit Spießen, den „Saufedern“, den gefährlichen Schwarzkitteln zu Leibe zu gehen. Von einem Keiler wird Meister Martin gehörig geschlagen. Allerdings ist es nicht so schlimm, wie es zuerst aussah, der Meister kommt noch einmal davon und die Bürgerschaft kann sich der willkommenen Beute freuen. Das dritte Bild betitelt sich „Einzug der Scholaren“ und versetzt uns in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Damals hatte die Gesellschaft Jesu mit Hilfe der Bürgerschaft das Gymnasium der Stadt begründet, und nun kommen Scholaren aus allen deutschen Gauen zusammen, die von der Stadt freudig und gastlich empfangen werden.


Aus dem Festspiel 1935 in Münstereifel (Kreis Euskirchen).
Der „Britzenmann“ schlägt seinen Lehrjungen mit der Pritsche zum Gesellen.
Bild Amt Münstereifel.

Das vierte Bild berichtet uns von einem alten Münstereifeler Volksfest, das die Fastnacht einleitet. Am 3. Februar, den St. Blasiustag, schleppen die Bürger der Stadt mit großer Mühe ein Rad den steilen Radberg hinan, um es dann hinabrollen zu lassen. Als Glückszeichen wird dabei das Heilbleiben des Rades betrachtet. Im Anschluß an dieses Volksfest schlägt der „Britzenmann“ einen Lehrjungen mit der Pritsche zum Gesellen.

Im fünften Bilde sammelt sich die Menge auf Trompetenruf vor dem Rathause. Der neugewählte Bürgermeister erscheint und nimmt die Huldigung der städtischen Beamten: Buschhüter, Feldschütz, Wachtmeister, Torwächter, Trommler und der Hirten entgegen. Dann bewirtet er Ratmannen und Schöffen. Zum Schluß erscheint der Vogt der Burg, dessen Begrüßung des Gewählten die Bestätigung durch den Landesherren allgemein kundtut.

Im letzten Bilde aber läßt der Verfasser alle zum Leben erweckte einstige Bewohner der Stadt vom Tode wiederum heimrufen. Dem trommelnden Tode folgen in bunter Reihe Bürgermeister, Ratsherren und Schöffen, die Handwerksmeister mit ihren Frauen, die Gesellen mit den Mädchen und endlich die Kinder. Das bunte Spiel aus vergangenen Tagen verschwindet unter den dunklen Hallenbogen des Rathauses und läßt dem Alltag wieder das Feld.

Das dritte der im Jahre 1935 aufgeführten Freilichtspiele der Eifel endlich ist das Genoveva-Spiel in Mayen.

Die Sage von der Pfalzgräfin Genoveva, die unschuldig verklagt und verurteilt mit ihrem kleinen Sohne Schmerzensreich im Walde lebt, bis der verblendete Gatte sie wiederfindet und von seinem grausigen Irrtum geheilt, sie reuig zurückführt, ist von jeher ein Lieblingsstoff des rheinischen Volkes gewesen.


Genovevaspiel in Mayen. Ruth Hallensleben, Köln.

Nicht umsonst geben wandernde Komödianten, die in ihren Wohnwagen auch heute noch von Dorf zu Dorf ziehen, immer wieder gerade das rührende Spiel als ihr bestes, bei der Dorfbevölkerung wirksamstes Stück.

Aber auch der reifen Künstlerschaft großer Geister hat die Genoveva-Legende es angetan. Tieck und vor allem Hebbel haben sie dramatisch behandelt und Robert Schumann hat sie zu einer Oper gestaltet. Die Quelle für diese Dichtungen ist das Volksbuch von der heiligen Genoveva, eines der anmutigsten und künstlerischsten der deutschen Volksbücher. Die Geschichte der Sage ist nicht ganz aufgehellt. Sie erzählt aber stets von einer Genoveva von Brabant, die mit dem Pfalzgrafen Siegfried vermählt war. Die Stätte der Sage ist unser Eifelland. Somit dürfen wir die Genoveva-Legende als eine echte Heimatsage betrachten.

Verschiedene Orte glauben die Ehre in Anspruch nehmen zu dürfen, der eigentliche Ort der Handlung zu sein. So Trier, in dessen Umgebung sich eine Genovevahöhle findet vor allem aber Mayen, dessen ragende Burg ja den Namen der heiligen Dulderin trägt.

Zu Füßen dieser stolzen und malerischen Feste und nun gewissermaßen unter Mitwirkung ihrer selbst fand das festliche Spiel Genoveva statt. Mit großem Geschick war die Bühne durch eine Treppe mit dem ansteigenden Burgbering verbunden, so daß ein Bühnenbild entstand, wie es die kühnste Einbildung sich nicht schöner erträumen konnte.

Es waren nicht nur Laien, die das von Karl Seekatz, Koblenz, gedichtete Spiel aufführten, die vier wichtigsten Rollen vielmehr lagen in den Händen bewährter Berufsspieler.

Vor Pfalzgraf Siegfried, seine Gattin Genoveva und ihr Gefolge wird ein Fremdling, Bondin, geführt, den die menschenfreundliche Pfalzgräfin unter ihren besonderen Schutz nimmt. Das ereignete sich zu jener Zeit, als Karl Martells Ruf an die fränkischen Großen erging, die Heimat gegen den heranflutenden Islam zu schützen. So muß auch der Pfalzgraf hinausziehen, und er ernennt zu seinem Statthalter seinen Vertrauten, den Ritter Golo.

Golos Abkunft schon unterscheidet ihn von den andern Edlen des Landes, denn seine Mutter Alpais entstammt fürstlichem, aber islamischem Blut. Im Herzen dieser Frau nun lebt glühender Ehrgeiz und nagender Haß gegen das Fürstenpaar, dem sie dienen muß. In ihren Händen ist ihr Sohn ein willenloses Werkzeug. Sie weiß, daß er seine schöne tugendhafte Gebieterin in hoffnungsloser Liebe liebt, und gerade diese Liebe soll Alpais dazu dienen, die verhaßte und beneidete Pfalzgräfin zu verderben. Sie ersinnt einen teuflischen Plan. Alle Boten, die Siegfried aus dem Feldzuge mit Nachricht zu Genoveva sendet, werden eingekerkert, alle Boten, die Genoveva dem geliebten Gemahl, dessen vermeintliches Schweigen sie unsagbar schmerzt, sendet, werden getötet. An dem Tage, als die Pfalzgräfin dem fernen Gatten in Schmerzen einen Sohn gebiert - Schmerzensreich nennt sie ihn -, da versteht es das verbrecherische Paar Alpais und Golo, der Armen den Ring zu rauben, den ihr der Gatte beim Abschied gab.

Unvermutet kehrt Siegfried zurück. Voll Argwohn durch Genovevas vermeintliches Schweigen glaubt der Unselige dem Schurken Golo, der dem schuldlosen Blondin, dem Schützling der Pfalzgräfin, den geraubten Ring in die Hände spielt, um mit ihm einen Beweis verbotener Liebe zwischen Genoveva und Blondin zu haben.

In blindem Zorn verurteilt Siegfried sein Weib dazu, den Tod im Laacher See zu finden. Und nur dadurch, daß die freundliche Gräfin von Wied die mit der Tötung beauftragten Männer beschwört, den Mord nicht auszuführen, wird Genovavas und ihres Kindes Leben gerettet.

Die Verurteilte gilt als tot, aber nagender Zweifel daran, ob das Urteil ein gerechtes war, läßt Siegfried nicht ruhn. Immer stärker wird die Erinnerung an die reine Frau, die er so innig geliebt hatte, und immer unmöglicher erscheint dem Unglücklichen die Schuld der allzu schnell Verurteilten.

Dann aber geschieht es, daß der Pfalzgraf auf der Jagd in der Wildnis ein Weib mit einem Kinde und einem zahmen Reh erblickt. Er folgt der Fliehenden bis zu einer Höhle, in der die Verfolgte sich verbirgt. Als die Jäger das seltene Wild aus der Höhle herbeiführten, erkennt Siegfried sein totgeglaubtes Weib, das den Reuigen liebevoll in die Arme schließt.

Bewußlos aber bricht der falsche Golo zusammen, als sein Opfer wieder vor ihm steht, er wähnt, sie sei dem Grabe entstiegen und komme, ihn vor Gericht zu fordern. Er hört nicht mehr das Todesurteil, das ihn trifft, aber eisig und unbewegt sieht Alpais, stärker als der Sohn, das Gebäude ihres Truges zusammenzustürzen.

Mit Begeisterung haben zahllose Besucher dem Spiele gelauscht und sich an dem bunten Bilde zu Füßen der Burg erfreut. Das Genovevaspiel hat dem rheinischen Volke seine so teure Legende in neuer Form geschenkt, in einer Form, die nirgendwo anders als vor der Genovevaburg in Mayen möglich gewesen wäre.

Das frische Leben aber, das auch im vergangenen Jahre die drei Freilichtspiele erfüllte, läßt die Hoffnung hegen, daß auch in der Zukunft noch viel fröhliche, echte Bühnenkunst in unserer Eifelheimat nicht das Licht der Rampen, sondern das Licht heller strahlender Sommertage erblicken möge.


Entnommen: Eifelkalender 1937, S. 68-73, Eifelverein Düren




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